In nur sechs Monaten wurde das Produktionswerk Aalter des Molkereiunternehmens Friesland Campina auf den neuesten Stand der Logistik gebracht. Das bestehende Hochregallager wurde erweitert, an die Fördertechnik gekoppelt und in die IT eingebunden.
Bei laufendem Betrieb hat SSI Schäfer die Intralogistik des internationalen Molkereiunternehmens Friesland Campina erfolgreich erweitert und modernisiert. Das Resultat sind optimierte Prozesse, gestiegene Lagerkapazitäten und erhebliche Kosteneinsparungen. Das vollautomatisierte Logistiklager ist mit der Bestandsanlage verbunden und umfasst unter anderem ein erweitertes Hochregallager (HRL) und passgenaue Fördertechnik. Die Materialflüsse werden von der Logistiksoftware Wamas des Intralogistikexperten gesteuert. »Aufgrund der spezifischen Herausforderungen führte das Projekt weit über die Anforderungen eines klassischen Retrofit-Projekts hinaus«, fasst Marc De Vlieger, Projektleiter SSI Schäfer, zusammen. Die Ansprüche an die Intralogistik in der Molkereibranche sind besonders hoch – vor allem bezüglich der Vorgaben zum Mindesthaltbarkeitsdatum, der Hazard-Analysis-Critical-Control-Point (HACCP) Hygiene-Standards und der von vielen Kunden geforderten Rückverfolgbarkeit. Lagerlösungen für Molkereiunternehmen erfordern daher Prozesse mit großer Verfügbarkeit und schnellstem Umschlag bei hohen Durchsätzen. »In Summe haben wir für Friesland Campina das bestehende Hochregallager erweitert, dieses an die Fördertechnik gekoppelt und in die IT eingebunden sowie die vorhandenen Systeme im Logistikzentrum Aalter auf den neuesten Stand der Technik gebracht.«
Ursprünglich 2005 errichtet
Im belgischen Aalter befindet sich eine für Friesland Campina wichtige Produktionsstätte. Von dort aus werden die Märkte in Benelux, Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit H-Milch-Produkten, Kondensmilch und Chocolate Milk beliefert. 450 verschiedene Artikelstämme, Produkte und Verkaufseinheiten sind im belgischen Distributionszentrum vorrätig. 2005 hat SSI Schäfer als Generalunternehmer für die Intralogistik ein automatisiertes Lager an dem Produktionsstandort errichtet. Konzeption, Kapazitäten, Ausstattung und technologische Standards wurden detailliert geplant und bereits auf das in den zehn Folgejahren absehbare Wachstum des Molkereiunternehmens ausgelegt. Das Materialflusskonzept, das elfgassige HRL mit fast 25 000 Stellplätzen und angebundenem Kommissionierbereich, die Palettenfördertechnik, eine Elektrohängebahn (EHB) zur Palettenauslagerung auf Schwerkraftrollenbahnen sowie die Palettenteststation konnten sich über diesen Prognosezeitraum mit Effizienz und zuverlässiger Prozessstabilität bewähren – koordiniert von der Logistiksoftware Wamas von SSI Schäfer.
Prozesse optimieren und Kosten einsparen
Neue Produktions- und Packlinien sowie die kontinuierlich steigende Nachfrage erforderten schließlich höhere Lager- und Durchsatzkapazitäten. Inzwischen verlassen pro Jahr rund 500 000 Paletten mit langlebigen Milchprodukten das Produktions- und Distributionszentrum. Vor diesem Hintergrund beauftragte Friesland Campina SSI Schäfer mit der Erweiterung der Bestandsanlage um mehr als 12 000 Palettenstellplätze, sprich einer Kapazitätserhöhung um rund 50 Prozent. »Die Erweiterung der Anlage, die im Layout von 2005 von SSI Schäfer bereits mitgeplant wurde, verschafft uns erhebliche Kosteneinsparungen und nachhaltige Vorteile bei Service und Logistik«, erklärt André Van der Meulen, Warehouse Manager und Projektleiter seitens Friesland Campina. »Mit dem Anbau und der Modernisierung der Bestandsanlage konnten wir ein Außenlager auflösen und die Lagerhaltung und Auftragsfertigung im Produktions- und Distributionslager Aalter bündeln. Außerdem haben wir unsere Prozesse weiter optimiert. Unter anderem werden nun mehr Kunden direkt von hier beliefert.«
Parallel zu der erforderlichen Erweiterung richtete SSI Schäfer neue Förderverbindungen zum automatischen Palettiersystem, welches von Robotern bedient wird, ein. Zur Bewältigung des gesteigerten Produktionsausstoßes installierten die Intralogistikspezialisten zwischen Fertigung und dem erweiterten HRL ein Parallelfördersystem zur bereits bestehenden Förderstrecke. »Die redundante Förderstrecke sichert die termingerechte und nahtlose Entsorgung der Produktionslinien, erhöht den Durchsatz und gewährleistet die durchgängige Verfügbarkeit der Anlage«, verdeutlicht De Vlieger. Abschließend wurden alle Änderungen in die Programmierungen der Logistiksoftware Wamas, des Materialflussrechners und der Speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) der Automatisierungskomponenten eingepflegt.
Anspruchsvolle Realisierung
Nachdem an der Stirnseite des HRL die Bodenplatte gegossen war, begannen die Intralogistikspezialisten damit, den Stahlbau für die Regalanlage zu errichten. Sie wurde, wie auch das vorhandene HRL, in Silobauweise gefertigt. Dabei dienen die Stützen des Regalsystems zugleich als tragende Elemente für das Hallendach und die Anbringung der Seitenwände. »Auf der Grundlage jüngster Richtlinien der European Materials Handling Federation (FEM) wurden beim Anbau mehr warmgewalzte Stahlprofile verbaut als in der 2005 eingerichteten Bestandsanlage«, begründet SSI Schäfer Projektleiter De Vlieger die Verwendung der etwas dickeren und noch robusteren Regalstützen und -balken. Parallel zum Regalbau brachte SSI Schäfer in den elf Gassen des 32 Meter langen Anbaus sukzessiv die Laufschienen für die Regalbediengeräte (RBG) ein, die später mit den Schienen der Bestandsanlage verbunden wurden. Vorher musste die 38 Meter hohe und 70 Meter breite Rückwand des bestehenden HRL abgetragen werden. Wohl gemerkt: Alles bei laufendem 24-Stunden-Betrieb der Produktion, an sechs Tagen in der Woche und einem Drei-Schicht-Betrieb. »Insbesondere bei der IT-Programmierung und der mechanischen Anbindung von Fördertechnik und RBG erfolgten die Umstellungsprozesse daher vor allem an den Wochenenden, um die Abläufe in der Anlage so wenig wie möglich zu beeinträchtigen«, erläutert De Vlieger.
Gleichwohl: Nur sechs Monate nach Beginn des Regalbaus waren Neu- und Bestandsanlage miteinander verbunden und die Materialflüsse koordiniert. Die Erweiterung konnte in Betrieb genommen werden. Mit den Kapazitätssteigerungen, Modernisierungsmaßnahmen und einem von SSI Schäfer zusätzlich eingerichteten Identifikationspunkt (I-Punkt) hat Friesland Campina den Durchsatz auf bis zu 220 Paletten pro Stunde gesteigert. Mit der zweiten Förderstrecke zwischen Produktion und HRL wurde der Entsorgungs- und Einlagerungspuffer von 60 auf 120 Paletten erhöht.
Harmonisches Zusammenspiel von modernisiertem Bestandslager und Anbau
Nach der Produktion werden die automatisch palettierten Waren mit Stretchfolie gesichert und von der Fördertechnik in der Produktion auf die vollautomatische Förderanlage von SSI Schäfer übergeben. Die etikettierten Paletten werden zu einer Konturenprüfanlage transportiert, wo Gewicht und Abmessungen erfasst werden. Eine Datenplausibilität erfolgt durch den Abgleich der Soll- und Ist-Daten. Anschließend werden die Paletten an einen der drei Senkrechtförderer übergeben. Im Rahmen des Modernisierungsprojektes hat SSI Schäfer einen Förderer neu installiert, um das Materialflusskonzept dem gestiegenen Durchsatz anzugleichen.
Die Senkrechtförderer führen das Lagergut auf eine zweite Geschossebene. Dort werden die Paletten von der SSI Schäfer Palettenfördertechnik zum HRL transportiert. Dieses dient der Lagerung von Paletten der Höhenklassen 1,65 und 1,92 Meter mit einem Maximalgewicht von 1100 Kilo pro Palette. In weniger als zehn Minuten nach dem Verlassen des Produktionsgebäudes stehen die einzulagernden Paletten an den Übergabestichen für die RBG bereit. Die Einlagerung in den elf von 79 auf 111 Meter erweiterten Lagergassen erfolgt doppeltief mit RBG. »Da die Erweiterung des Lagers bereits im ursprünglichen Design vorgesehen war, wurde die Geschwindigkeit der RBG 2005 von SSI Schäfer auf die längeren Gassen ausgelegt«, so Van der Meulen. »Abgesehen von der Softwareprogrammierung und der Integration in das Materialflusskonzept waren in diesem Bereich daher keine zusätzlichen Maßnahmen notwendig.«
Angesichts des hohen Durchsatzes wurden für die Auslagerung hochdynamische Vorzonen zur Auftragskonsolidierung eingerichtet. Sie werden sequenziert mit Voll- und Mischpaletten aus dem Kommissionierbereich versorgt. Den innerbetrieblichen Transport zwischen HRL und Vorzonen übernimmt die EHB. Mit 16 Fahrzeugen führt sie die Paletten auf einem ovalen Rundkurs zu einer der 42 Schwerkraftgefällerollbahnen des Warenausgangs. Dort werden die Paletten auftragsbezogen übergeben. Über das Vier-Prozent-Gefälle der Rollbahnen gelangen die Paletten daraufhin produktschonend an die wartenden LKWs. Für die auftragsgerecht koordinierten Prozesse sorgt das Warehouse Management System Wamas. Auf Basis der hinterlegten Stammdaten berücksichtigt es bei der sequenzierten Bereitstellung der Warenausgangspaletten sowohl die Reihenfolge nach Abladestellen als auch das Filiallayout der Stores. SSI Schäfer hat beim Retrofit der Anlage einen Puffer und eine Arbeitsbühne mit Bearbeitungsstationen für Nacharbeiten und die Qualitätsprüfung der Paletten eingerichtet.
Anlagenbetreuung rund um die Uhr vor Ort
Für Wartung, Instandhaltung und zur Sicherung einer maximalen Anlagenverfügbarkeit hat Friesland Campina sich überdies für das SSI Resident Maintenance Konzept der Customer Service & Support (CSS) Division des Konzerns mit Hauptsitz in Neunkirchen entschieden. Ein Team von insgesamt fünf SSI Schäfer Mitarbeitern, von denen stets mindestens einer vor Ort ist, betreut die Anlage rund um die Uhr. Zudem steht der SSI Schäfer Helpdesk zur Beratung und Unterstützung bei weiterführenden technischen Fragestellungen zur Verfügung.
»Zuverlässige Projektorganisation und exakte Termineinhaltung hatten neben der Stabilität von Anlagenkomponenten und Prozessen bei der Auftragsvergabe für dieses anspruchsvolle Modernisierungsprojekt höchste Priorität«, resümiert Warehouse Manager Van der Meulen. »Nach den positiven Erfahrungen mit der Bestandsanlage hat SSI Schäfer auch das Erweiterungsprojekt souverän und partnerschaftlich realisiert – und das ohne Einschränkungen des laufenden Betriebs. Unser Ziel wurde mit der Projektrealisierung optimal umgesetzt: Effizienz wie auch Service bei einer Verfügbarkeit von 98 Prozent konnten deutlich gesteigert werden. Damit steht dem Produktions- und Distributionslager von Friesland Campina in Aalter einem weiteren Wachstum durch Übernahme zusätzlicher und größerer Aufträge nichts mehr im Wege.«◂