Über die Herausforderungen im Kühllager und Strategien sie zu bewältigen schreibt unser Autor Mark Vogt. Automatisierungstechnik kann hier eine Hilfe sein. Er diskutiert Aspekte wie Mitarbeitermangel, Energieeinsparung, Lagerdichte und ist überzeugt, dass sich die dargestellten Herausforderungen nicht länger einzeln, sondern nur zusammen lösen lassen.
Obwohl die logistischen Herausforderungen die gleichen sind – immer mehr Waren, mit immer größerer Produktvielfalt in immer kleineren Bestellmengen sollen in immer kürzerer Zeit umgeschlagen werden – potenzieren sich die daraus resultierenden Aufgaben in Tiefkühl- und Kühllagern gegenüber normalen Warenlagern. Einige dieser Aufgaben sollen im Folgenden beleuchtet und nach technologischen Lösungen gesucht werden.
Erschwerte Arbeitsbedingungen reduzieren
Obwohl in nahezu allen Bereichen der Logistik Mitarbeitermangel herrscht, ist das Gewinnen von Mitarbeitern für die Cold-Chain-Logistik besonders schwierig. Die rauen Umgebungsbedingungen, unter denen zu arbeiten ist, wirken mitunter abschreckend auf potenzielle Bewerber. Umso wichtiger ist es, Bedingungen zu schaffen, die das Engagement und die Leistungsfähigkeit hoch und die Fluktuation niedrig halten. Robotergestützte Systeme können schwere Tätigkeiten im Tiefkühlbereich automatisieren und die notwendigen manuellen Arbeiten beispielsweise durch moderne Pick-by-Voice-Technologien und die Verlagerung der Arbeitsplätze in wärmere Umgebungen nach dem Prinzip »Ware-zu-Person« erleichtert werden, wodurch sich Fehlerquoten, Pausenzeiten und Verletzungen minimieren. Ein einfaches Beispiel: Mitarbeiter in einer kalten Umgebung dürfen oft nur 50 Minuten pro Stunde arbeiten und müssen sich in den restlichen 10 Minuten aufwärmen. Hinzu kommt, dass nicht viele Menschen bei Temperaturen von -24 °C arbeiten und dabei 50 Kilogramm schwere Kisten transportieren wollen. Wieso also nicht erschwerte Arbeitsbedingungen reduzieren und Mitarbeiter stattdessen dort im Lager einsetzen, wo sie dringend benötigt werden? Wieso sich nicht, statt fluktuierender Belegschaft, unabhängiger vom Arbeitsmarkt machen?
Energieeffizienz erhöhen, CO2-Footprint verkleinern
Ein weiterer wichtiger Aspekt, der im Tiefkühlbereich besonders zum Tragen kommt, ist das Thema Energie. Die Sicherheit in der Kühlkette muss gewahrt bleiben. Man kann nicht einfach das Thermostat noch oben schrauben, um einzusparen. Stattdessen muss es darum gehen, Prozesse effizienter zu gestalten, und zugleich zu schauen, wo Temperaturverluste reduziert werden können. Automatisierungstechnologien bietet hier zahlreiche Lösungsansätze. Übernehmen zum Beispiel Roboter die Kommissionierung in der Kälte, wird ein erwärmtes Umfeld für Mitarbeiter nicht mehr benötigt. Zusätzlich lässt sich die Automatisierungstechnologie der Logistik an die Haustechnik koppeln, sodass zum Beispiel Tore nur für den kurzen Moment des Palettentransports geöffnet werden müssen, was Temperaturverluste minimiert. Aber auch jenseits der Kälteräume ergeben sich energetische Einsparpotentiale mittels Automatisierung. Beispielsweise kann die Energie, die beim Bremsvorgang von Regalbediengeräten erzeugt wird, aufgefangen werden. Per Energierückspeisung ist es möglich, diese »Abfallenergie« zurück in das Hausnetz zu speisen und mittels Energiespeicher auf den Regalbediengeräten kann zeitversetzt diese erzeugte Energie wiederverwendet werden. Dies sind nur einige Beispiele, die deutlich machen, mit den richtigen Systemen lässt sich nicht nur Energie sparen, indem man mehr Waren in schnellerer Zeit bearbeitet, sondern die Technologien selbst sind auch so entwickelt, dass sie positiv auf den Energieverbrauch und den CO2-Footprint von Tiefkühl- und Kühllagern einwirken.
Lagerraum ökonomisch planen über Kältezonen hinweg
Ein weiterer Schlüssel zu höherer Energieeffizienz betrifft die Form des Lagers. Zum einen lohnt es, Produktion und Lager räumlich so eng als möglich zu gestalten. Kurze Wege bedeuten weniger Ressourcen und Energie. Ein Umstand, der auch auf den Lagerbau selbst zutrifft. Es wird künftig immer stärker darum gehen, eine höhere Lagerdichte zu erreichen. Mittels automatisierten Logistikanlagen können Verkehrsflächen reduziert und Regalkapazitäten besser ausgenutzt werden. Dadurch verkleinert sich der zu kühlende Raum. Hinzukommt, dass anders als manuelle Lager, die nicht höher als 15 bis 18 Meter wachsen können, automatisierten Lagerräumen nahezu keine Grenze bei der Höhe gesetzt ist. Maschinen agieren, im Gegensatz zum Menschen, auch in über 40 Metern Höhe noch ohne Unfallgefahr. Kurz gesagt: In die Breite wachsen ist teuer und ökologisch problematisch, da so immer weitere Flächen versiegelt werden. Wieso also nicht mittels Automatisierung eine maximale Flächen- und Energieeffizienz erreichen? Und nicht zuletzt lässt sich das Layout der unterschiedlichen Kältezonen für Lagerung, Kommissionierung sowie an der Laderampe über temperaturresistente Automatisierungstechnologien optimieren.
Herausforderungen im Lager verlangen einen Blick in die Zukunft
Warenlagergröße, Energieverbrauch und Fachkräftemangel sorgen als wichtige Parameter dafür, dass die Lagerplanung immer weiter in die Zukunft schauen muss. Zum einen steigt der Anspruch an den Durchsatz von Lagern, zugleich aber auch der Kostendruck. Hier gilt es technologische langfristige Antworten zu finden. Um dies am Beispiel der Tiefkühlkommissionierung zu bebildern: Aufgrund der Umgebungsbedingungen brauche ich mehr Mitarbeiter, die sich abwechseln als in anderen Teilen des Lagers. Der Nebeneffekt der zusätzlichen Fachkräfte geht über die Löhne hinaus. Mehr Mitarbeiter führen zu mehr Ausrüstung wie Gabelstaplern und RF-Scannern und größerem zu kühlenden Raum. Außerdem kann mehr Personal das Risiko von Fehlern bei der Datenerfassung, Fehlern bei der Auswahl sowie die Wahrscheinlichkeit von beschädigten Produkten beim Transport erhöhen. Wenn man diese Bedingungen zu der geringen Verfügbarkeit von Lagerarbeitern in allen Branchen hinzufügt, wird das Dilemma schnell offensichtlich – die dargestellten Herausforderungen lassen sich nicht länger einzeln, sondern nur zusammen lösen.
Automatisierung ist dabei eine wichtige, wenn auch nicht für jedes Tiefkühl- und Kühllager die vollumfängliche Antwort. Sind bereits effektive Abläufe vorhanden, lohnt oft eine gut abgestimmte Kombination manueller und automatisierter Abläufe. Soll jedoch Lagerarbeit 24/7 zuverlässig und fehlerfrei laufen und das auch unter niedrigsten Temperaturen, wird kein Weg an Automationstechnologien vorbeiführen. Immer stärker müssen Lager prompt und flexibel auf sich ändernde Volumina, Anforderungen und Sortimente reagieren. Findet man den richtigen technischen Weg, lassen sich in Tiefkühl- und Kühllagern künftig nicht nur unerwartete Nachfragespitzen flexibel und ohne Zeitarbeitskräfte oder Extraschichten abfedern, sondern auch ökonomische und ökologische Ziele zusammen verwirklichen.◂
Unser Autor
Unser Autor Mark Vogt ist Head of International Sales & Marketing, Supply Chain Automation bei Körber, Leingarten.