Zum schon fünften Mal veranstaltete Schmitz Cargobull ein »Lebensmittel-Symposium«, dieses Mal anlässlich des 50. Jubiläums des Kühlauflieger-Werks in Vreden. »Food goes digital« war das Motto der Tagung, es ging aber auch viel um Elektrisches.
Von einem schönen Wortspiel, dem er aller Ehren machte, erzählte Prof. Dr. Gunter Dueck zu Beginn seines Vortrags auf dem Lebensmittel-Symposium 2019 von Schmitz Cargobull: Als »wild duck« bezeichneten seine Kollegen beim US-amerikanischen Computerkonzern IBM ihn in Anspielung auf seinen Nachnamen, auf Deutsch sei das so etwas wie ein Querdenker, erklärte Dueck. Und weil’s so schön passt, hat der Mathematiker daraus auch seinen Twitter-Namen gemacht: Wilddueck. Dueck spannte in seinem Eröffnungsvortrag zum Motto des Symposiums »Food goes digital« einen breiten Bogen, von der Tourenplanung über das autonome Fahren bis zum Einkaufen der Zukunft. »Die Privatautos stehen alle rum« war so ein querdenkerischer Nadelstich von Dueck, eine Auslastung von vier Prozent habe ein PKW in Deutschland, berichtete er. Mit selbstfahrenden Taxis seien immerhin 30 bis 40 Prozent Auslastung erreichbar. Auch auf zwei Konsequenzen von autonom fahrenden Fahrzeugen wies er hin: Sie müssten nicht mehr aus Blech sein, weil sie keine Unfälle mehr bauen würden, erwartet er unter Verweis auf die kollektive Intelligenz der Maschinen – sie müssen ihre Fehler nicht alle selbst machen, sondern lernen wirklich von den Erfahrungen ihrer Mit-Maschinen. Und wenn LKW in Folge der Veränderungen, die die Welt des autonomen Fahrens mit sich bringt, irgendwann einmal doppelt so schnell fahren, ändert sich auch die Technik, die für die Kühlkette nötig ist, prophezeite Dueck. In seinen fast 25 Jahren bei IBM hatte er auch Projekte mit Bezug zur temperaturgeführten Logistik: Für Dr. Oetker sollte das Team in den Anfangstagen der computerbasierten Tourenplanung den Einsatz von Mitarbeitern optimieren, die Absatz und Qualität der Tiefkühlpizzen in den Supermärkten kontrollierten. Bei Projekten wie diesen entwickelte er auch die »Dueck’sche Naturkonstante«, wonach die beste Antwort auf die Frage, wieviel Verbesserung denn durch die Arbeit zu erreichen sei, 15 Prozent ist. »Bei 25 Prozent werden Sie rausgeschmissen, bei 20 Prozent hat der Manager Angst um seinen Job«, erklärte er.
Pioniertaten mit Realismus bei Albert Heijn
Über die vielen Aspekte eines nachhaltigen emissionsfreien Verteilerverkehrs referierte Peter Leegstraten, Manager Einkauf & Innovation beim niederländischen Einzelhandelsriesen Albert Heijn. Als beste Wahl bezeichnete er die Kombination aus großen Transporten und Emissionsfreiheit. »Wir machen so viel wie möglich mit 40-Tonnern«, verdeutlichte er, 92 Prozent der Transporte würden mit Sattelzügen mit Kühlaufliegern absolviert. Eine einfache Rechnung überzeugt laut Leegstraten auch Bürgermeister, die sich über die »dicken LKW« beschweren: Um einen Sattelzug zu ersetzen, bräuchte man 16 der kleinen 3,5-Tonnen-Liefertransporter, die der Einzelhändler für seinen Lieferdienst Albert Heijn Online einsetzt…
Als bereits 2006 im Rahmen einer Umweltvereinbarung angegangenen ersten Schritt in Richtung emissionsarmer Logistik bezeichnete Leegstraten die Nachtlieferung dank Piek-Zertifikat für geräuscharmes Equipment – nachts gibt es weniger Stau und damit eben auch weniger CO2-Ausstoß. 2011 begann Albert Heijn mit dem Test von LNG Sattelzügen und -Tankstellen, 2018 waren bereits 170 davon im Einsatz. Und es sollen noch mehr LNG-LKW werden, kündigte Leegstraten an. 2012 habe man erstmals einen Kühlauflieger mit Energieachse im Einsatz gehabt, 2013 den ersten Hybrid-LKW. 2017 folgte dann schließlich der erste batterieelektrische 18-Tonner im Einsatz für Alber Heijn.
Nochmals mehr Schub für diese Tests kommt von einem Klimaabkommen mit dem vielsagenden Titel »Zero Emission Stadslogistiek«, dass der Einzelhändler neben anderen Unternehmen mit dem niederländischen Wirtschaftsministerium und verschiedenen Kommunen abgeschlossen hat. Danach soll die Innenstadt-Belieferung bis 2025 in noch festzulegenden Innenstadtzonen von 20 bis 40 niederländischen Städten emissionsfrei, »beziehungsweise so emissionsarm wie möglich« sein, wie Leegstraten präzisierte. Er hofft auf etwas mehr Realismus auf der nationalen Ebene, ein rein elektrischer 40-Tonner werde bis dahin nicht möglich sein, auch wenn jede Stadt das für sich gerne hätte. Selbst für einen 3,5-Tonner als Elektrofahrzeug sagte Leegstraten: »Eigentlich gibt es den noch gar nicht, die können wir nicht vor 2021 bestellen« – immerhin spreche man für den Einsatz bei Albert Heijn Online von 800 Fahrzeugen. Noch weiter entfernt vom breiten Praxiseinsatz sind die elektrischen 18-Tonner, hier handele es sich um kleine Serien von Testfahrzeugen. »Nirgendwo finde ich einen Knopf, über den ich die bestellen kann«, verdeutlichte er das Problem. In der öffentlichen Wahrnehmung gebe es all diese Fahrzeuge dagegen schon, so seine Einschätzung.
Im Rahmen des DKTI-Projekts hat Albert Heijn zusammen mit der Spedition Peter Appel und Simon Loos zwei Daf CF Hybrid-LKW für Städte in größeren Entfernungen (über 125 Kilometer) und drei Daf CF Electric für rund 50 Kilometer entfernte Städte sowie eine passende Schnelllade-Infrastruktur getestet. »Neben Tourenplanung und Fahrerplanung kommt etwas Neues dazu: die Batterieladeplanung«, so seine Erfahrung aus den Tests. Auch Leegstraten dachte weiter: Sollten allein im Verteilzentrum Zaandam bei Amsterdam einmal alle 100 LKW rein elektrisch fahren, würde beim Laden der Stromverbrauch von rund 4500 Familien anfallen. Sollten auch noch ihre Lieferanten in dem Logistikzentrum ihre Fahrzeuge laden wollen, stiege der Bedarf hinsichtlich Ladeinfrastruktur noch weiter an. Leegstraten denkt daher, dass eine Kombination aus Elektro- und anderen alternativen Antrieben nötig sein wird.
Schließlich brauche man für die emissionsfreie Stadtbelieferung auch eine Lösung für die Kühlaggregate. Seit sieben Jahren fährt für Albert Heijn erfolgreich ein Kühlauflieger mit Valkx Energie-Achse zur Rückgewinnung von Bremsenergie von THT New Cool, berichtete Leegstraten. Er sieht hier Potenzial für eine gute Lösung, mittlerweile seien 13 solche Auflieger im Einsatz bei dem Einzelhändler.
S.CUe geht in die Kundentests
Auch Marnix Lannoije, Head of Electric & Electronic System Engineering bei Schmitz Cargobull, sieht in der E-Achse eine Lösung, um während der Fahrt die Batterie eines rein elektrischen Kühlaggregats laden zu können. »Die E-Achse ist durchaus wirtschaftlich«, betonte er mit Blick die nur geringe zusätzliche Belastung für den Dieselverbrauch der Zugmaschine, in Summe werde mit ihr weniger Diesel verbraucht. Schmitz Cargobull hat auf der IAA Nutzfahrzeuge 2018 einen Prototypen eines emissionsfreien Kühlkoffers mit der S.CUe vorgestellt, einer durch ein Batteriesystem (Lithium-Ionen-Akkus) oder das Stromnetz versorgten elektrischen Variante seiner Kühlmaschine mit identischer Kälteleistung wie die herkömmliche S.CU. Anfang Oktober sei der Prototyp in den ersten Kundentest gegangen, er verfüge allerdings derzeit nicht über eine E-Achse, sondern könne nur über den Standard-CEE-Stecker geladen werden. Für das vierte Quartal 2020 plane man aber zehn Kundentests mit einer Variante mit E-Achse. Nach dieser »limited edition« rechnet Lannoije mit einem weiteren Jahr bis zur Serienfertigung. Hier geht er von 400 Fahrzeugen im Jahr aus. Man plane, das Fahrzeug mit einer großen und einer kleinen Batterie für Laufzeiten von neun respektive vier Stunden anzubieten. (ms)◂