Corona-Impfstoffe müssen wie andere Vakzine auch temperaturgeführt transportiert werden. Dubai will sich als Logistik-Drehschreibe für die ersehnten Impfstoffe positionieren, die Frachtfluglinie Emirates Skycargo reserviert ihr Frachtterminal Skycentral DWC dafür als globales Hub.
Wann genau ein Corona-Impfstoff zur Verfügung steht, war zum Redaktionsschluss dieser Frischelogistik noch nicht klar. Doch eins ist schon jetzt sicher: Er wird zur Verteilung auf temperaturgeführte Logistik angewiesen sein. Klassische Impfstoffe benötigen für Transport und Lagerung Temperaturen zwischen 2 und 8 °C, für die mit neuen Technologien wie der mRNA-Technik hergestellten Vakzine gibt es noch keine validen Stabilitätsdaten. Auf dieser Methode basiert etwa der Impfstoff-Kandidat der Partner Biontech und Pfizer, der Anfang November mit ersten sehr positiven Phase-3-Studiendaten für Euphorie sorgte; auch der Kandidat von Curevac aus Tübingen ist mRNA-basiert. Um auf der sicheren Seite zu sein, forderten die Hersteller, dass die Impfstoffe in einer Spannbreite von -20 bis -80 °C zu transportieren seien. Biontech-Chef Uğur Şahin berichtete allerdings Mitte September, der entwickelte Impfstoff lasse sich bei 2 bis 8 °C für mindestens fünf Tage frisch halten, wahrscheinlich aber für mehr als zwei Wochen aufbewahren.
Trans-o-flex geht von »normaler« Kühlpflicht aus
Auch der auf Arzneimitteltransporte spezialisierte Logistikdienstleister Trans-o-flex äußerte Ende September die klare Erwartung, dass auch die neuen Corona-Impfstoffe sicher bei 2 bis 8 °C transportiert werden können. »Wer sich nur ein bisschen in der Pharmabranche auskennt, der weiß, dass es sich bei den jetzt vorschnell kommunizierten Temperaturen zwischen -20 und -80 °C um Vorsichtsmaßnahmen handelt, die Unternehmen so lange treffen müssen, bis ihnen valide Daten über die Haltbarkeit ihrer Produkte auch bei höheren Temperaturen vorliegen«, erklärte Trans-o-flex-CEO Wolfgang Albeck. »Tatsächlich haben aber inzwischen bereits mehrere Firmen bestätigt, dass Corona-Impfstoffkandidaten ihre Wirkung auch dann behalten, wenn sie wie normale kühlkettenpflichtige Produkte behandelt werden, also bei 2 bis 8 °C gelagert und transportiert werden.« Als Beispiele nannte Albeck eben die Firmen Biontech und Curevac. Letztere habe sogar bestätigt, dass sein Impfstoff bei 2 bis 8 °C eine »mehrmonatige Stabilität« zeigt.
Aus alledem folgert Trans-o-flex, dass auch Corona-Impfstoffe mit höchster Wahrscheinlichkeit als kühlkettenpflichtige Produkte eingestuft werden, die sicher bei der sogenannten Kühlschranktemperatur transportiert werden können. »Wir sind daher mit unseren aktiv temperaturgeführten Netzwerken bestmöglich auf eine flächendeckende Verteilung von Corona-Impfstoffen vorbereitet«, zeigt Albeck sich überzeugt. »Das auf die Distribution im Temperaturbereich zwischen 2 und 8 °C spezialisierte Tochterunternehmen Trans-o-flex Thermomed kann Corona-Impfstoffe wie auch schon in den vergangenen Jahren die Grippeimpfstoffe sicher und transparent dokumentiert in Deutschland und Österreich an alle Ärzte, Apotheken und Krankenhäuser sowie den Pharmagroßhandel zustellen.«
Wüstenmetropole als Drehkreuz?
Trotzdem bleibt die Verteilung der Impfstoffe gegen Sars-CoV2-Viren eine Mammutaufgabe, über die sich Logistiker und ihre Zulieferer schon längst Gedanken gemacht haben. So hat die Frachtfluglinie Emirates Skycargo Ende Oktober bekanntgegeben, das weltweit erste allein der Impfstoffverteilung gewidmete Cargo-Hub direkt am Flugfeld in Dubai zu schaffen. Dazu kündigte der Golfflieger an, sein Emirates Skycenter DWC Frachtterminal am Flughafen Dubai-World Central wiederzueröffnen, um hier die Kühllagerung und -verteilung des Covid-Impfstoffs zentral anzusiedeln. Das Terminal war seit 1. April im Rahmen von coronabedingten Umstrukturierungen von Emirates geschlossen, der Frachtflieger konsolidierte seine Aktivitäten an Dubais etabliertem Dubai International Airport (DXB).
Ebenso gab die Frachtsparte von Emirates jetzt bekannt, dass sie ein eigenes Schnellreaktions-Team gebildet habe, um Anfragen von den verschiedenen an der internationalen Verteilung des Impfstoffs beteiligten Partner zu koordinieren und die Antwort der Fluggesellschaft auf diese Transportanfragen aus einer Hand zu leisten.
»Dubai ist in einer guten Position, um als Schnittstelle und Verteilungszentrum für Covid-19-Impfstoffe in den Rest der Welt zu dienen«, wird Emirates-Chef Scheich Ahmed bin Saeed Al Maktoum dazu in einer Pressemeldung zitiert. »Wir haben die Infrastruktur und die Logistikverbindungen sowie eine geografische Lage, die Märkte, die über zwei Drittel der Weltbevölkerung darstellen, in einen Flugradius von acht Stunden bringt. Über die Jahre hat Emirates Skycargo es geschafft, über unsere kontinuierlichen Investitionen in Fähigkeiten und Prozesse für den Transport temperaturempfindlicher Pharmazeutika, sich unter den wichtigen globalen Pharmakunden als ganzjähriger bevorzugter Transitpunkt für ihre wertvolle Fracht zu positionieren. Ein eigenes Flugfeld-Hub für Covid-19-Impfstoffe aufzubauen ist ein Schlüsselprojekt, das unser Netzwerk, Reichweite und Kompetenzen nutzt, um die Leben von Menschen auf der ganzen Welt positiv zu beeinflussen«, zeigte Al Maktoum sich überzeugt.
Mit dem Hub in Dubai sollen Luftfrachtgesellschaften die Impfstoffe aus den Produktionsstandorten weltweit einfliegen, lagern und für den Versand zur regionalen und globalen Distribution vorbereiten können, so Emirates. Emirates Skycentral DWC verfügt nach Angaben des Betreibers über 4000 Quadratmeter temperaturgeführter, GDP-zertifizierter Pharma-Lagerfläche, die die Lagerung und Verteilung von Covid-19-Impfstoffen im großen Maßstab ermöglichen würden. Emirates schätzt, dass der Standort zu jedem beliebigem Zeitpunkt rund zehn Millionen Impfstoff-Fläschchen bei 2 bis 8 °C handhaben kann.
Zusätzlich zur Infrastruktur von Emirates Skycentral verfügt der Standort auch über eine der laut Emirates größten Flotten sogenannter Cool Dollys weltweit; die Transportanhänger schützen temperaturempfindliche Fracht auf dem Weg zwischen Flugzeug und Frachtterminal. Dazu komme die hohe Anzahl an temperaturkontrollierten Ladetoren und die Nähe des Terminals zu den Parkpositionen der Flugzeuge, beides trage zur schnellen und effizienten Abfertigung der heißersehnten Fracht für die weitere Verteilung bei.
Neben dem Kühllager plant Emirates Skycargo auch, spezielle Bereiche für Value-added Services wie Re-icing und Umpacken der Impfstoffe für die globale Verteilung für seine Kunden anzubieten.
Neben den enormen Mengen an Impfstoff, die erwartungsgemäß zu verteilen sein werden, wird auch die Zeit für die Verteilung extrem knapp sein – wenn etwas je zeitkritisch war, dann die Bereitstellung eines Mittels gegen die globale Pandemie. Emirates will durch eine Kombination von Linien- und Charterflügen sicherstellen, dass die Impfstoffe in die Märkte geflogen werden können, wo sie am meisten gebraucht werden.
Gewachsenes Netzwerk wieder am Start
Die für diese Verteilung nötige Logistik stampft keiner mal eben so aus dem Boden. Emirates betont, dass die Fluggesellschaft seit 2016 substanzielle Investitionen in seine Kapazitäten im Bereich temperaturempfindliche Pharmazeutika geleistet hat. Dazu gehöre die Einführung des spezialisierten Produkts »Emirates Pharma«, sowie die Entwicklung eigener GDP-zertifizierter maßgeschneiderter Infrastruktur sowohl in Dubai als auch an wichtigen Herkunfts- und Zieldestinationen im Rahmen seines Programms »Pharma Corridors« mit derzeit über 30 Städten. In den letzten vier Jahren habe man über eine viertel Million Tonnen an Pharma-Fracht bewegt, so das Unternehmen.
In den letzten Monaten habe man daran gearbeitet, das weltweite Netz an Flugverbindungen wieder aus dem Pandemie-Dornröschenschlaf zu wecken, nach Angaben von Emirates wurden im Mai 75 Destinationen wieder angeflogen, im Juli waren es schon 100 und Anfang Oktober dann fast 135, inklusive aller Zentren pharmazeutischer Industrie.
Thermo King und Envirotainer bereit für temperaturgeregelte Luftbeförderung des Covid-19-Impfstoffs
Mitte Oktober haben auch Thermo King und Envirotainer in einer gemeinsamen Pressemeldung bekanntgegeben, den kritischen Bedarf an temperaturgeregelten Lufttransportlösungen für den sicheren Transport von Impfstoffen und Arzneimitteln erkannt zu haben und für den steigenden Versandbedarf des Gesundheitswesens und der Luftfahrtbranche gewappnet zu sein.
Envirotainer hat 2005 gemeinsam mit Thermo King den ersten aktiven beheizten und gekühlten Luftfrachtcontainer entwickelt und produziert, der von Luftfahrtbehörden zugelassen wurde. »Wenn ein Impfstoff verfügbar ist, liegt die Herausforderung für die Pharmabranche dabei, ihn so schnell wie möglich zum Patienten zu transportieren und dabei die Kühlkette einzuhalten«, schildert Francesco Incalza, Präsident von Thermo King EMEA, die Herausforderung. »Unsere intelligenten Lösungen können dabei helfen, logistisch komplexe Vorgänge zu vereinfachen, indem die Temperaturregelung und Nachverfolgung der Integrität von Impfstofflieferungen jederzeit während des Transports, auch während des Lufttransports, gegeben ist. Wir sind bereit für die Anforderungen zur globalen Massendistribution des erwartet temperaturempfindlichen Impfstoffs.«
»Sobald Impfstoffe verfügbar sind, erfordern sie ganz sicher einen temperaturgeregelten Lufttransport und eine globale Distribution in sehr großen Mengen«, so Michael Berg, CEO von Envirotainer. »Dank unserer bereits lange bestehenden Zusammenarbeit mit Thermo King haben wir neue Maßstäbe in der Branche gesetzt. Wir haben bei weitem die größte Containerflotte und das größte Netzwerk der Branche und sind bereit, eine schnelle und sichere Auslieferung des Covid-19-Impfstoffs an Patienten auf der ganzen Welt zu ermöglichen.«
Die aktiven Container wurden präzise auf die Anforderungen der Pharmabranche ausgelegt. Der eine Palette große RKN e1-Container mit Thermo King Air 100-Kältesystem und der größere RAP e2-Container mit Thermo King Air 200-Kältesystem halten Produkttemperaturen im Bereich von +2 bis +8 °C, im Bereich geregelter Zimmertemperatur (+15 bis +25 °C) oder auf einer festgelegten Temperatur zwischen ±0 und +25 °C.
Anders als passive Container werden die aktiven Lösungen während des Flugs und Bodentransports über Batterien betrieben, über eine elektrische Verbindung, die die Innentemperatur des Luftfrachtcontainers bei gleichzeitigem Laden der Batterien aufrechterhält. Seit ihrer Einführung haben die aktiven Container von Envirotainer bereits Hunderttausende von Arzneimittellieferungen transportiert, betont das schwedische Unternehmen.
Der RAP e2 sei zudem der umweltfreundlichste temperaturgeregelte Luftfrachtcontainer auf dem Markt. Die Lieferung von Arzneimitteln mit dem RAP e2 stößt je versendeter Ampulle 0,9 Kilogramm CO2-Äquivalente aus, so die Unternehmen. Hier biete sich ein Vergleich mit beispielsweise einer kleineren passiven Lösung an, die 11,6 Kilogramm an CO2-Äquivalente je versendeter Ampulle ausstoße.
Sowohl der RKN e1 mit Air 100-Kältemaschine als auch der RAP e2 mit Air 200-Kältemaschine sind vollständig von der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA) und der Federal Aviation Agency (FAA) zertifiziert und werden als Good Distribution Practice (»GDP«, gute Vertriebspraxis) für den Transport und die Lagerung von Arzneimitteln eingestuft. (ms)◂
DHL und McKinsey & Company haben Anfang September eine Studie veröffentlicht, die sich mit dem Aufbau stabiler Lieferketten für Impfstoffe und medizinische Güter während der Covid-19-Pandemie sowie künftiger Gesundheitskrisen auseinandersetzt. https://www.dhl.com/content/dam/dhl/global/core/documents/pdf/glo-core-delivering-pandemic-resilience-2020-German.pdf