Eine neue moderne Kälteversorgung mit dem natürlichen Kältemittel Ammoniak hat die SSP Kälteplaner AG für die Bischofszell Nahrungsmittel AG geplant. In einer vierjährigen Planungs- und Realisierungszeit wurde die komplexe mehrstufige Anlage im laufenden Betrieb eingebaut und etappenweise in Betrieb genommen.
Die Bischofszell Nahrungsmittel (Bina) wurde 1909 gegründet und ist eine führende Herstellerin von Convenience- und Fruchtprodukten sowie Fertiggerichten und Getränken für Einzelhandel, Industrie, Großverbraucher und den Export. Die gut 1000 Mitarbeitenden produzieren auf modernsten Anlagen und mit verschiedensten Herstellungsverfahren mit Herzblut und Leidenschaft über 1000 Produkte für den täglichen Genuss.
Die Produkte werden mit verschiedenen Technologien haltbar gemacht. Neben dem Sterilisieren, dem Pasteurisieren und weiteren Verfahren stellen die Kühlprozesse für Bina einen enorm wichtigen Produktionsfaktor dar. Bei den thermischen Anwendungen werden die Produkte erhitzt, wieder abgekühlt oder teilweise erntefrisch in den Frostern tiefgekühlt.
Ausgangslage und Ziele
Bei Bina wurden drei bestehende, alte Kälteanlagen in einer neuen Kältezentrale zur »Kälteversorgung West« zusammengefasst. Die bestehenden Ammoniak Kälteanlagen waren in mehreren Zentralen räumlich auf dem Areal verteilt und historisch über mehrere Jahrzehnte gewachsen. Bereits in diesen bestehenden Anlagen wurde Ammoniak als Kältemittel verwendet.
Die komplett neu erstellte Kälteanlage versorgt einen großen Teil des Areals mit Kälte auf verschiedenen Temperaturniveaus. Die Projektziele wie Energieeffizienz, Umweltfreundlichkeit, Reduktion CO2-Ausstoß, erhöhte Anlagensicherheit und hohe Zuverlässigkeit der Kälteversorgung für die Produktion, konnten zu 100 Prozent erreicht werden. In einer vierjährigen Planungs- und Realisierungszeit wurde die mehrstufige Anlage im laufenden Betrieb eingebaut und etappenweise in Betrieb genommen. Dank der guten Planung und der zuverlässigen Realisierung konnte das wichtige Projekt innerhalb der geplanten Termine und Kosten realisiert werden.
Schon früh wurde das Konzept einer gemeinsamen, zentralen Kälteversorgung mit Ammoniak als Kältemittel geprüft und weiterverfolgt, dieses bietet zahlreiche Vorteile gegenüber dezentralen Installationen:
- Das Ammoniaksicherheitskonzept ist nur in einer Kältezentrale erforderlich.
- Der Aufbau von Redundanz ist kostengünstiger.
- Die Anlage kann auch bei Teillastbedingungen mit hoher Effizienz betrieben werden.
- Die Servicearbeiten können an einem zentralen Ort erfolgen.
- Die gesamte Anlage ist mit einem einheitlichen Leitsystem für den Betreiber ausgerüstet.
- Mit Ammoniak kommt ein natürliches Kältemittel ohne Umweltrelevanz zum Einsatz.
Da für die Kühlprozesse ganzjährig Kälte benötigt wird, wurde auch ein umweltfreundliches, energetisch optimiertes Freecooling-System geplant, um im Winter ohne mechanische Kälte Kaltwasser zu erzeugen.
Umsetzung
Im Januar 2015 hat Bina die Planung der Kälteanlagen bei SSP Kälteplaner AG beauftragt. Es folgte eine Phase in welcher mehrere Varianten entworfen, analysiert und auch wieder verworfen wurden. Durch den Bau einer neuen Zentrale im Innenhof zwischen dem TK-Bau und der Konfitüren-Produktion konnte ein idealer Standort gefunden werden. Dazu mussten aber die Ammoniakverflüssiger der alten Anlage demontiert und ein entsprechendes Provisorium für den Weiterbetrieb der Anlagen installiert werden. Nach einer intensiven Planungsphase konnte der Auftrag für die neue Kälteanlage im Januar 2018 an Johnson Controls erteilt werden. Die intensiven Montagearbeiten begannen im Sommer 2018, nachdem die Rohbauarbeiten der neuen Zentrale fertiggestellt waren. Die ersten bestehenden Tiefkühlräume wurden im Januar 2019 angeschlossen und konnten in Betrieb genommen werden. Ende März 2019 wurden die bestehenden, großen Tiefkühl-Frosteranlagen an die neue Anlage angeschlossen, dies bei einer minimalen Betriebsunterbrechung von wenigen Tagen.
Bina verfügt damit über eine Anlage für Tiefkühlung mit Ammoniak Direktverdampfung auf dem Niveau -38 °C, ein Glykolnetz mit Vorlauftemperatur -6 °C für Produktion und Kühlräume sowie über ein Kaltwassernetz von 6 °C Vorlauftemperatur für Klimaanlagen und Produktionsprozesse. In der gesamten Anlage sind zehn Industrie-Kälteverdichter installiert, welche die Kälte auf verschiedenen Temperaturstufen als Verbundanlage erzeugen.
Nachhaltige Kälteproduktion mit hoher Effizienz
Alle Komponenten der Kälteanlage sind, unter anderem durch die Drehzahlregulierung der Sabroe-Kälteverdichter und hochwertiger IE4 Motoren, auf hohe Energieeffizienz ausgelegt. Durch den zwei-stufigen Betrieb der Tiefkühlanlage wird auch hier der Energiebedarf nachhaltig optimiert.
Der gesamte Energieverbrauch für die Kälteversorgung der Produktionsbereiche konnte mit der neuen Kälteanlage um eindrückliche 50 Prozent reduziert werden. Im Winter kann das 6 °C Kaltwassernetz durch die Freecooling Anlage mit Außenluft ohne mechanische Kälte betrieben werden.
Intelligente Anlagensteuerung und Monitoring
Die elektrische Steuerung der Kälteanlage umfasst 38 Schaltschrankfelder mit 1500 Datenpunkten. Die Schaltschränke sowie die Frequenzumformer für die Kälteverdichter sind in einem separaten, klimatisierten Elektroraum neben der Kältezentrale installiert worden. Auf einem Leitsystem lassen sich alle Parameter verstellen und sämtliche Betriebswerte in beliebigen Trendkurven darstellen und auch zurückverfolgen. Damit lässt sich die Anlage nicht nur professionell bedienen, sondern auch energetisch optimieren.
Abwärmenutzung und Rückkühlung
Beim Betrieb der Schraubenverdichter fällt Abwärme auf hohem Temperaturniveau von 60 °C an, dieses wird für die Erwärmung von Brauchwasser genutzt, die Überschusswärme wird in einem luftgekühlten Rückkühler über der Zentrale an die Umwelt abgegeben.
Mit einem Ammoniakverflüssiger kann Abwärme auf dem Niveau 40 °C für weitere Wärmeverbraucher auf tieferem Niveau zur Verfügung gestellt werden.
Die restliche Abwärme wird auf dem Dach mit drei hybriden Trockenkühlern an die Umwelt abgegeben. Diese Bauart zeichnet sich durch schwadenfreien Betrieb aus, unter 18 °C wird kein Wasser benötigt und die Geräte arbeiten ausschließlich mit Luft. Bei höheren Außentemperaturen werden die Lamellen mit Wasser benetzt und somit die Kühlleistung erhöht und der Verflüssigungsdruck abgesenkt. Die Geräte sind frei von Legionellen, die Bildung von Keimen wird durch UV Röhren, welche im Wasserbecken installiert sind, verhindert. Da bei dieser Lösung keine Biozide zum Einsatz kommen, ist auch diese Technologie nachhaltig und ökologisch.
Fazit
Die Planung und Umsetzung einer Anlage in dieser Dimension war auch für SSP Kälteplaner und Johnson Controls nicht alltäglich und hat alle Beteiligten stark gefordert. Dank der guten Zusammenarbeit mit der Bauherrschaft und allen
beteiligten Unternehmern konnte ein tolles Bauwerk mit sehr hoher Qualität termingerecht fertiggestellt werden. Bina verfügt damit über eine hochmoderne, zuverlässige und ökologische Kälteversorgung mit Leistungsreserven für die Zukunft. Mit dem Kältemittel Ammoniak wurde auf ein zukunftsfähiges Kältemittel gesetzt, welches seit über 100 Jahren erfolgreich eingesetzt wird.
Der stark reduzierte Energiebedarf für die Kühlprozesse, zusammen mit der hohen Zuverlässigkeit der Anlage, stellt für Bina einen wichtigen Faktor bei der Herstellung der Lebensmittelprodukte dar und bedeutet damit eine nachhaltige Investition für die Zukunft.◂