Kühlverpackungen sind nie Selbstzweck, sondern müssen ein Logistikproblem lösen. Solche Lösungen anzubieten ist die Spezialität des Bremerhavener Unternehmens Ecocool. Ein Besuch vor Ort zeigt, wie erfolgreich das Team um Geschäftsführer Dr. Florian Siedenburg dabei ist – und welche Herausforderungen der Erfolg mit sich bringt.
Das Bremerhavener Unternehmen Ecocool wurde 1999 von Heinrich Siedenburg, dem Vater des jetzigen Geschäftsführers Dr. Florian Siedenburg, gegründet – heute würde man vielleicht sagen als Start-up. »Es war eine richtige Klitsche«, erinnert sich Siedenburg junior an die Anfänge am Fischereihafen. Mit dem in diesem Jahr neu bezogenen Verwaltungsgebäude werde die Firma nun erwachsen, meint er mit einem Augenzwinkern: »Jetzt gibt es sogar einen Pausenraum!«
Ecocool verzeichnet laut Siedenburg seit 2015 jährlich um die 25 Prozent Wachstum. »Das bringt auch einige Herausforderungen mit sich«, gesteht der Geschäftsführer zu, zum Beispiel bei den benötigten Produktionskapazitäten. »Wir sind jetzt wieder da, wo wir herkommen: bei vier Standorten«, berichtet Siedenburg. Mit so vielen verschiedenen Produktionsstätten musste das Unternehmen auch nach dem ersten Wachstumsschub in den Jahren 2012/13 jonglieren, bis dann im August 2015 der neue Sitz in einem Bremerhavener Industriegebiet südlich des Fischereihafens bezogen wurde. »Das müsste für fünf Jahre halten«, meinte Heinrich Siedenburg beim Richtfest – die Näherinnen haben sich damals schon zweifelnd angesehen, erinnert sich sein Sohn Florian. Und sie sollten Recht behalten, zwischen 2018 und 2019 war die Hinzunahme externer Läger und Produktionsstätten in der Grönlandstraße, Am Lunedeich und Am Fernsehturm nötig. Letzteres, weil das Unternehmen 2019 mit der Ecocool Service GmbH eine eigene Gesellschaft für Dienstleistungen rund um die Vakuumisolierboxen des US-amerikanischen Anbieters Aerosafe Global gegründet hat. Dieser bietet die Boxen im Mehrweg-Mietmodell an, zum Beispiel im großen Maßstab für weltweite klinische Studien des dänischen Insulinherstellers Novo Nordisk. Die Rückholung der Boxen vom Zielort übernimmt dabei Aerosafe, »Gott sei Dank!«, wie Siedenburg wegen des hohen Aufwands sagt. Ecocool übernimmt die Kontrolle und Aufbereitung der zurückerhaltenen Boxen, inklusive fertig vorbereiteter Kühlelemente. Diese sind paraffinbasiert und eignen sich damit besser für die Temperaturanforderung 2 bis 8 °C im Pharmabereich, »Die 2 °C Untergrenze ist, wenn man ehrlich ist, kritischer als die 8 °C: Es ist relativ einfach eine gegebene Obergrenze mit Kühlmitteln für eine lange Zeit einzuhalten, aber die Untergrenze gleichzeitig zu gewährleisten, das ist die Herausforderung!« Im Durchschnitt macht eine solche Vakuumisolierbox 70 Umläufe, was für Siedenburg einen großen Faktor in der Nachhaltigkeit der Logistik darstellt.
Lösungsanbieter für Kühllogistik
Ecocool positioniert sich als Lösungsanbieter für seine Kunden, man sei nicht auf ein einzelnes Produkt fokussiert, sondern darauf, bei der Produktausführung auf neue Anforderungen der Kunden neue Lösungen anbieten zu können. »Wir müssen permanent lieferfähig sein«, betont Siedenburg weiter, »wir sind in der Logistik – unsere Kunden sind auf die Produkte angewiesen!«, erklärt er die aufwändige, aber unvermeidliche Lagerhaltung des Unternehmens. Denn auch die Kunden können nicht fix planen, Kundenwünsche quasi sofort zu erfüllen, »das ist unsere Kernstärke«, beschreibt Siedenburg das Erfolgskonzept.
Die Anzahl der Tests in Ecocools zwei Klimakammern hat stark zugenommen, berichtet er. Seit Anfang September beschäftigt das Unternehmen auch einen eigenen Mitarbeiter in der Produktentwicklung, der zum Beispiel für die Abwicklung dieser Tests zuständig ist. Ingenieure oder Physiker wären schwer zu finden gewesen, berichtet Siedenburg von den unternehmerischen Alltagsproblemen, der neue Produktentwickler ist nun von Hause aus Biologe, kennt sich mit Messprotokollen also ebenfalls bestens aus.
Lohnende Ökologie
Seit 2018 betreibt Ecocool auch eine Photovoltaik-Anlage mit 99 kWp Leistung auf seiner Produktionshalle. »Das lohnt sich absolut«, berichtet Siedenburg, die Eigenverbrauchsquote liege für die Altanlage bei 70 Prozent, auch nach dem Umzug von Hauptverbrauchern wie den Tiefziehmaschinen zur Herstellung der Kühlelemente und auch der dafür benötigten Druckluftkompressoren in die 2022 neu bezogenen Gebäude. Die sind ebenfalls mit Photovoltaik ausgestattet, »wir haben noch etliche Flächen auf den Lagerhallen, um noch zusätzlichen Strom zu erzeugen und den Netzbezug zu reduzieren, es CO2-neutraler zu gestalten – und am Ende natürlich Kosten zu sparen«, verdeutlichte Siedenburg. Denn Ecocool betreibt am neuesten Standort auch ein eigenes Kühlhaus mit entsprechendem Stromverbrauch, weil das Unternehmen seit 2020 für größere Kunden auch die Lieferung bereits vorgefrosteter Kühlelemente anbietet, die in Mehrwegkisten geliefert werden. Dies biete einen großen Nutzen für Kunden mit beschränktem TK-Raum und einen Kostenvorteil gegenüber externen Dienstleistern, betont Ecocool. Der Kochboxen-Händler Hello Fresh ist bisher ein wichtiger Kunde für die Kühlelemente, die Absatzmenge von bisher fünf Millionen Stück pro Monat wird hier 2023 zurückgehen, erwartet Siedenburg, weil der Lebensmittelversender selbst in die Produktion der Kühlelemente einsteigen will, in einem ersten Schritt für den deutschen Markt. Ecocool bleibe aber in der Hinterhand und hat nach Aussagen seines Geschäftsführers auch keine Bauchschmerzen mit dem Schritt seines Großkunden, da so Kapazität zum Beispiel für die Produktion der »Waterblankets« freiwerde.
Erfolgsgeschichte Waterblankets
Waterblankets sind Kunststoffdecken, bestehend aus mit wasserbasiertem Gel gefüllten Kammern – und bilden den Kern einer sehr erfolgreichen Produkteinführung von Ecocool. Denn diese langen, flexiblen Kühlelementketten ermöglichen das Hinzufügen thermischer Masse an allen exponierten Seiten einer Palette. Hintergrund ist, dass die Dicke der Isolation nur bei großer zu schützender Masse der kosteneffizientester Weg ist, eine besser isolierende Thermohaube herzustellen. Viele Pharmapaletten zeichnen sich aber durch extrem geringe Masse aus, so Ecocool. »25 °C mit einer einfachen Thermohaube sicherzustellen ist nicht garantiert. Und das wissen die Pharmakunden mittlerweile auch«, erklärt Siedenburg den Erfolg seiner Ecosafe+ genannten Kombination aus klassischer Thermohaube und Waterblankets. »Damit haben wir eine neue Kategorie geschaffen«, erinnert er sich stolz an die Einführung des Produkts ab 2016, bis dato war die nächste Option nach schlichten Thermohauben für 20 oder 50 Euro gleich der starre, aufwändige »Palletshipper« für schon im günstigsten Fall mehrere Hundert Euro.
Wegen der derzeitigen Knappheit von Reefer-Containern sei die Luftfracht im Vergleich mit dem Seetransport fast schon wirtschaftlicher, was für Ecocool an einer großen Nachfrage nach den Thermohauben des Unternehmens abzulesen ist. So habe der französische Pharmakonzern Sanofi in diesem Jahr statt der ursprünglich bestellten 10 000 Stück nun über 20 000 abgenommen.
2021 hat sich Ecocool mit Ecosafe+ auch in einer Ausschreibung für die Absicherung von Seefracht im Temperaturbereich 2 bis 8 °C durchgesetzt. Wenn ein Reefer-Container für fünf oder zehn nicht an den Landstrom angeschlossen ist, sei dieser Bereich je nach Hafen ein Riesenproblem, im Pharmabereich drohen dabei Millionenschäden, erklärt Siedenburg den Hintergrund.
Ebenfalls 2021 hat Ecocool die Produktreihe nochmals weiterentwickelt und die Hochleistungs-Thermohaube Eco-Xtreme neu auf den Markt gebracht. Das System besteht aus einer stark isolierenden, dreilagigen Haube aus reflektierenden Außenschichten sowie hoch-isolierendem Vlies aus recycelten PET-Fasern. Der Kundenwunsch nach einer besser isolierenden Thermohaube war bei der Entwicklung der Ausgangspunkt, vor allem zum Verpacken von ULD-Luftfrachtpaletten mit ihren großen Dimensionen, wo Eco-Safe+ mit Waterblankets aus Handlingsgründen ausscheidet. Die Eco-Xtreme weise im Vergleich mit einem deutlich reduzierten Systemgewicht und einem vereinfachten Handling auf. Das Unternehmen sieht den Einsatz der neuen Lösung vor allem für Ladungen, die reich an Masse sind.
Nachhaltiger Trend
Im Bereich des Lebensmittelversands ist für Siedenburg der Trend zu immer nachhaltigeren Kühlverpackungen eindeutig. Kunststoff ist in diesem Spiel der große Bösewicht, zumindest aus Sicht der Endkonsumenten. »Das führt zu absurden Produkten im Markt«, meint Siedenburg, außen sieht man Papier, innen finde sich Kunststoff – für den Ecocool-Mann ein Verbund, der das Schlechteste aus beiden Welten vereint. Seit 2020 kooperiert das Bremerhavener Unternehmen daher als Premium-Vertriebspartner mit der Firma Fresh!packing aus Elsfleth, unweit von Bremerhaven an der Unterweser, und vertreibt mit Innobag und Innobox zwei Verpackungslösungen für E-Food-Logistik, die aus Zellstoff aus dem Papierrecycling produziert werden. Beide können vom Konsumenten komplett in der Papiertonne entsorgt werden. Gemeinsam arbeiten beiden Unternehmen »relativ intensiv« an weiteren Lösungen rund um zellstoffbasierte Isolierverpackungen, gab Siedenburg zu Protokoll. »Natürlich ist da die Energiekrise nicht unbedingt hilfreich, um es vorsichtig zu sagen«, gestand er zu, die Vormaterialien würden teilweise gar nicht mehr hergestellt, weil die Herstellungskosten zu hoch wären. (ms)