Für den Umschlag frischer Lebensmittel in einem Seehafen bleibt wenig Zeit. Schnelligkeit hängt aber nicht nur von Verkehrsverbindungen ab, sondern auch von der Geschwindigkeit logistischer Abläufe und des Umschlags. Und diese steigt mit der Verfügbarkeit von Informationen und der Flexibilität im Weitertransport.
Lebensmittel-Einzelhändler möchten ihre Waren schnellstmöglich geliefert bekommen und setzen die Verlader daher unter wachsenden Druck. Denn der Import von frischen Lebensmitteln nimmt zu. Zudem ergeben sich aus neuen Gesetzen und Regelungen ständig neue Aufgaben. Aktuell droht nun durch den Brexit den europäischen Nordwesthäfen absehbar die Wiedereinführung von zeitaufwändigen Ein- und Ausfuhrformalitäten. Gerade der Import und Export von Nahrungsmitteln wird komplexer, sobald das Vereinigte Königreich ein Drittstaat und damit Deklarationen sowie zusätzliche Untersuchungen zur Lebensmittelkontrolle notwendig werden. Frischelogistiker wollen daher überall, wo es nur geht, Zeit einsparen, Ressourcen effektiv einplanen und Fehler vermeiden.
Geschwindigkeitsfaktor Informationsfluss
Der freie Fluss korrekter Informationen in Echtzeit ist für die Lebensmittellogistik in Import- und Export-Seehäfen von zentraler Bedeutung, denn er ist ein Hauptmechanismus, um die Effektivität und Fehlerlosigkeit der Abläufe zu erhöhen. Digitale Informationsplattformen helfen durch das unmittelbare Teilen der relevanten Daten bei der Planung und der Durchführung von Abläufen. Hafenbetriebe als neutrale Anbieter sind dabei prädestiniert, Terminalbetreiber, Reedereien und Verlader an einem digitalen Tisch zusammenzubringen und eine alle Partner einbeziehende Plattform zur Informationsverteilung zu starten. Auf diese können dann Zoll, Lebensmittelkontrolleure, Veterinäre, Verlader, Operatoren und Terminalbetreiber direkt zugreifen.
Um den absehbaren Mehraufwand an Dokumentation, Deklaration und Veterinär-Untersuchungen zu stemmen und die Verweildauer von Lebensmitteln, Containern oder auch LKW zu minimieren, kommt es auch darauf an, Verzögerungen durch fehlerhafte oder einfach nicht vorliegende Dokumentationen zu vermeiden. Informationsplattformen, Dienstleistungswarenplätze sowie Port-Community-Systeme bringen deshalb Zoll, Verlader, Operatoren und andere Akteure in der Supply Chain, wie etwa Anbieter von Veterinär-Untersuchungen, zusammen. Die beteiligten Dienstleistungspartner greifen dabei auf die Basisdaten der Verlader zurück, starten Anfragen und erstellen die notwendigen Dokumente. Alle Informationen zu einem Transport werden dafür in einer zentralen, sicheren, mandantenfähigen und redundanten Datenbank gesammelt. Auch sämtliche für Import und Export aus einem Drittland in die EU wichtigen Formalitäten – bis hin zur kommerziellen Freistellung – laufen effizient über eine Informationsplattform unter direkter Einbindung der Zollbehörden. Fast-Echtzeit-Datenbanken senken dabei die Fehlerquote, weil alle Nutzer immer auf aktuelle Informationen im notwendigen Format zurückgreifen.
Der wirtschaftliche Nutzen solcher Plattformen ist sehr hoch, wird aber im Alltag oft übersehen: Nach einer Studie von Pricewaterhouse Coopers beträgt die Wertschöpfung einer Informationsplattform wie der von den Häfen Rotterdam und Amsterdam gemeinsam betriebenen Portbase pro Jahr circa 186 Millionen Euro: 100 Millionen E-Mails werden weniger verfasst, 30 Millionen Telefonate weniger geführt und 30 Millionen LKW-Kilometer weniger verfahren. Durch einen effizienten Warentransport sinken aber auch der Bedarf an Lagerfläche durch im Hafen verweilende Waren sowie der Energieverbrauch durch länger nötige Kühlung.
Wenn solche Informationssysteme vor Ort ganz konkret die LKW durch elektronische Karten gezielt zu den Terminals im Hafen lotsen, sinkt die Verweildauer der Ware im Hafen und der Warenumschlag ins Hinterland beschleunigt sich.
Geschwindigkeitsfaktor Container-Tracing
Wer frischere Ware zum Endverbraucher bringen will, muss auch wissen, wann die Ware im Terminal ankommt und abgeholt werden kann. Anhand dieser Information kann er entsprechend disponieren, um die Nahrungsmittel sofort für die weiteren logistischen Abläufe abzuholen. Wenn aber Ware im Kühlcontainer unnötigerweise zu lange am Terminal verweilt, weil der Logistikdienstleister momentan keinen LKW zur Abholung eingeplant hat, verzögert sich der Weitertransport.
Auch hier spielen Hafenbetriebe als Katalysatoren des korrekten Informationsaustauschs zwischen allen Beteiligten eine entscheidende Rolle. Den dafür notwendigen schnellen und korrekten Nachrichtenfluss ermöglichen Track-and-Trace-Applikationen, die in Echtzeit Verlader und Operatoren mit Informationen über die Container und den Verbleib ihrer Ware versorgen. Je einfacher die Nachverfolgung der Lieferung ist, umso effizienter lassen sich Ressourcen steuern.
Der Nutzen zum Beispiel für den Verlader ist enorm. ABC Logistics, ein Anbieter logistischer Dienstleistungen rund um Frischprodukte wie Obst und Gemüse, erhält etwa dank der Track-and-Trace-Applikation Boxinsider des Hafenbetriebs Rotterdam eine Gesamtsichtbarkeit der Container einschließlich ETA, ETD, Discharge und Gate-out, deren Ankunft er erwartet. Das hilft ihm sehr, Termine und Aufgaben für Inspektoren, Prüfer und auch Kunden einzuplanen. Zugleich hält er so alle Beteiligten stets auf dem neuesten Stand, so dass sie gezielt in Aktion treten können. Waren werden durch bessere Planung schneller abgefertigt.
Das hat für den Verlader auch weitere Vorteile. Je schneller die Ware abgeholt wird, umso kürzer muss sie gekühlt und umso zügiger kann sie gegebenenfalls verzollt und weitertransportiert werden. Genau zu wissen, wo sich Ware gerade befindet, ist ein zentraler Geschwindigkeits-, Qualitäts- und Preisfaktor.
Geschwindigkeitsfaktor Hinterlandanbindung
Wichtig ist auch der schnelle und flexible Umschlag der Lebensmittel vom Hafen ins Hinterland beziehungsweise vom Hinterland nach Short Sea oder Over Sea. Gerade hier bieten sich Partnern des Hafens Rotterdam auf dessen Hafengelände zahlreiche Möglichkeiten, das Hinterland anzubinden und Warenströme synchromodal und effizient zwischen LKW, Eisenbahn oder Binnenschiff zu verlagern. Eine flexible Infrastruktur bietet den Verladern auch entlang der gesamten Supply Chain den Zugriff auf alle Verkehrsmittel für einen schnellen Warentransport. Gerade Binnenschifffahrt und Zug sparen durch gebündelte Warentransporte Zeit auf dem Weg zum Hafen. Die Ankunft im Güterwaggon erleichtert zudem auch die Zollformalitäten, wenn Züge beim Durchfahren von Scan-Toren durchleuchtet werden. Auf dem Hafengelände verkürzt diese Bündelung wiederum den internen Transport zwischen den einzelnen Abfertigungs- oder Servicestandorten. Multimodale Angebote auf dem Hafengelände verkürzen auch die Entfernung von Container-Terminals zu den einzelnen Standorten für die Lagerung und Verarbeitung auf dem Hafengelände. In Rotterdam ist ein großer Standort für Frischelogistik wie etwa Coolport für die Binnenschifffahrt und Short Sea – etwa nach Skandinavien – per Wasser, für LKWs durch eine Autobahnanbindung sowie per Schiene an den Bahnterminal RSC angebunden.◂
Danny Levenswaard
Unser Autor
Unser Autor Danny Levenswaard ist Manager Breakbulk des Port of Rotterdam.