Im Interview mit der Frischelogistik spricht Jason Spencer Knox, regionaler CEO von PML Seafrigo, über die Übernahme des britischen Obst- und Gemüse-Spezialisten PML durch den französischen Logistik, das Ziel einer globalen Kühlkettenlogistik aus einer Hand und das Interesse an Deutschland.
Herr Knox, können Sie zu Beginn Seafrigo kurz vorstellen.
Seafrigo ist sicher ein führendes Unternehmen weltweit in den Bereichen Food and Beverage. Es ist aktiv seit der zweiten Hälfte der 70er und wurde von unserem Eigentümer Eric Barbé gegründet, ein sehr dynamischer Charakter, der als CEO immer noch sehr involviert ist. Seafrigo ist im Privatbesitz und agiert daher sehr unternehmerisch und nicht Shareholder-getrieben wie bei börsennotierten Konzernen. Das heißt Entscheidungen können so getroffen werden, um sich schnell zu bewegen und sich bietende Gelegenheiten zu bewerten und zu nutzen.
Food and Beverage ist ein sehr fragmentierter Markt, insbesondere der Kühlkettenbereich. Man findet eine Menge lokaler Champions in verschiedenen Regionen der Welt, aber es gibt keinen, uns eingeschlossen, der wirklich sagen könnte, dass sie ein komplettes, global integriertes Netzwerk für diese Branche bieten können. Das ist unser Ziel! Wir sind mittlerweile auf fünf Kontinenten, Resultat eines vor allem am Anfang organischen Wachstums von unserem Heimatstandort Frankreich, in den letzten Jahren haben die Akquisitionen dann deutlich an Fahrt aufgenommen. PML ist ein Beispiel dafür. Ich bin ursprünglich zu Seafrigo gekommen, um in Großbritannien und Irland eine Niederlassung aufzubauen, organisch und beginnend mit Seefracht, wo Seafrigo wie der Name schon sagt herkommt. In letzter Zeit hat sich das Unternehmen in einer Anzahl Märkten auch auf der Luftfracht-Seite entwickelt, das ist ein wachsender Bestandteil unseres Portfolios. PML ist Marktführer in und um Heathrow was Perishables angeht, und es hätte Seafrigo einige Zeit gebraucht organisch so zu wachsen, dass man mit PML hätte konkurrieren können. Also entschieden wir uns für eine Akquisition, auch vor dem Hintergrund, dass PML Seafrigo ähnlich ist: Es wurde vor 20 Jahren gegründet und vom vorherigen Besitzer Mike Parr fantastisch entwickelt mit einem sehr kundenzentrierten Ansatz. PML versprach sich also gut zu integrieren.
Wir sind derzeit im Prozess dieser Integration die, wie ich mit Freude sagen kann, nach Plan läuft. Ganz klar gibt es neben den eigentlichen Geschäftsaktivitäten noch unterstützende Funktionen wie Finanzen, Recht, IT oder Personal, die mit dem, was wir in der Gruppe machen, in Einklang gebracht werden müssen. Denn die Power einer jeden Organisation ist eben die Organisation. Ich bin immer noch mitten in dieser Integrationsarbeit, aber kann erfreut sagen, dass es relativ glatt läuft – wir stecken auch eine Menge Arbeit herein, um das sicherzustellen. PML ist für uns dabei eine Plattform für weitere Entwicklungen in UK und Irland, auf der Seafrigo zum Beispiel mit seiner Seefrachtexpertise die Türen für neue Kunden öffnen kann.
Wir haben auch ein neues Produkt in den britischen Markt gebracht, das dort noch keiner angeboten hat, und zwar temperaturgeführter LCL (less than container load) Frachtraum. Das machen weltweit nicht viele, Seafrigo bietet es auf bestimmten wichtigen Handelsrouten an. Für manche Kunden haben wir mit diesem Produkt Märkte eröffnet, für einen handwerklichen Lebensmittelproduzenten in Großbritannien mit nur einer Pallet pro Monat war eine Lieferung in die USA via Luftfracht nicht darstellbar, aber mit LCL wird der Markteintritt dort kosteneffektiv.
Wäre diese Integration von PML eine Blaupause für die Integration weiterer Unternehmen mit dem Ziel eines globalen Netzwerks?
Absolut, das trifft den Nagel auf den Kopf. Wir haben zwar schon vorher viele Akquisitionen durchgeführt, aber mit PML haben wir unsere Gedanken und Prozesse rund um eine Übernahme von Anfang bis Ende verbessert. Ich kann ihnen natürlich in diesem Stadium nicht genau sagen, welche Gespräche mit anderen Unternehmen laufen, aber ich kann sagen, dass es eine Anzahl an anderen Unternehmen gibt, auf die wir für mögliche Akquisitionen schauen. Es sind aufregende Zeiten!
Wie viele Übernahmen kann Seafrigo denn gleichzeitig handeln?
Wir haben letztes Jahr eine Reihe von Akquisitionen getätigt in verschiedenen Bereichen der Gruppe, von Hafendienstleistungen bis Lebensmittelverarbeitung, um die Supply Chain noch tiefer zu durchdringen. Dieses Jahr geht es sehr viel darum, diese übernommenen Unternehmen ankommen zu lassen, ihnen ihren Platz zu bereiten. Ich würde sagen wir werden im Jahr 2025 wieder mehr solche Geschäfte abschließen – aber das hält uns nicht davon ab, jetzt schon andere Unternehmen anzusehen und zu bewerten – der Prozess braucht schließlich einiges an Zeit. Und wie gesagt, wir sind opportunistisch und flexibel: Wenn sich eine großartige Gelegenheit ergeben würde, schließe ich nicht aus, auch in diesem Jahr eine oder vielleicht zwei Unternehmen zu übernehmen.
Als deutsche Fachzeitschrift müssen wir fragen: Was ist mit Deutschland?
Deutschland ist bei Lebensmitteln definitiv ein großes Importland, aber es kommen auch eine Menge Exporte aus Deutschland. In Bezug auf die Sparten, auf die wir uns fokussieren – Obst und Gemüse, Seafood, Fleisch und Proteine, Getränke und Feinkost – gibt es auf jeden Fall Möglichkeiten in Deutschland. Aber wie gesagt: Es geht immer darum, die richtige Person oder die richtige Organisation zu finden, die in der Lage ist, unser Wachstum so voranzubringen, dass es in unsere Unternehmenskultur passt. Wir sind auf jeden Fall sehr interessiert an Deutschland.
Was ist mit temperaturgeführter Pharmalogistik?
Derzeit ist das keine Priorität für uns. Wir haben ein klares Ziel: Wir wollen die erste globale, voll integrierte Kühlkette für Lebensmittel haben, bei der wir in allen wichtigen produzierenden Regionen wie auch den wichtigen Nachfrage-Regionen weltweit sind. Hier haben wir auf jeden Fall gegenüber dem Wettbewerb einen Vorsprung erarbeitet. Da wollen und müssen wir dranbleiben und den Vorsprung über die Ziellinie bringen!
Wir sprechen zum Auftakt der Fruit Logistica miteinander, auf der PML Seafrigo als Aussteller ist. Was präsentieren Sie den Kunden aus der Obst- und Gemüse-Branche?
Ich habe unsere Kernsparten genannt, Obst und Gemüse fällt bei uns unter »Frische« und gehört zu den sehr gut entwickelten Bereichen von Seafrigo. Für PML ist das in Großbritannien historisch das Kerngeschäft gewesen, wir kommen also mit echten Experten. Wir sind nicht nur auf der logistischen Seite aktiv, sondern bieten auch eine Menge an Value-added Services. PML ist in Heathrow zum Beispiel der einzige Anbieter, der direkt für einige der führenden Lebensmittelhändler solche Dienstleistungen bietet: Die Ware kommt mit dem Flugzeug an, wird direkt in unser Gebäude gebracht und dort kommissioniert, verpackt, etikettiert und versendet. Wir haben das bei PML schon vor einigen Jahren begonnen – das Ziel bei Frischeprodukten ist immer, so viel Shelf Life wie möglich zu haben. Je weniger Restlaufzeit man hat, umso weniger Geld verdient man! Und durch unsere Anlage in Heathrow können Kunden zwischen 24 und 72 Stunden bei der Zeit sparen, die die Ware bis in die Supermarktregale braucht.
Und auch wenn wir noch nicht das globale Netzwerk haben, wie wir es uns wünschen, ist es auf jeden Fall schon sehr ausgereift und ermöglicht in vielen Fällen, dass Kunden ihre Waren an einem Ende an Seafrigo übergeben und sie am anderen Ende auch wieder mit Seafrigo ankommen. Das bietet ein großes Maß an Sicherheit für die Kunden, was Kontrolle und Nachverfolgbarkeit für ihr Produkt angeht, was sehr wichtig bei Obst und Gemüse ist. Was ich noch nicht erwähnt habe: Wir sind eine »asset-heavy« Organisation: Wir besitzen und kontrollieren unsere Lager, wir haben unsere eigenen LKW und besitzen, wo immer möglich, das Equipment, um das nötige Maß an Kontrolle zu haben. Je mehr Kontrolle man hat, umso mehr Sicherheit kann man seinen Kunden bieten.
Investieren Sie global in die genannten Assets oder gibt es regionale Schwerpunkte? Und auf welche Technologien setzen Sie dabei?
Als opportunistisches Unternehmen investieren wir im Prinzip überall in unserem Netzwerk. Aber es gibt Länder, in denen es einfacher oder sicherer ist zu investieren, das führt zu einer gewissen Priorisierung. Ohne bestimmte Länder zu nennen kann man sagen, dass wir typischerweise in unsere Lagerinfrastruktur investieren. Es sind Infrastruktur-Investitionsprojekte, einige in sehr großem Maßstab, in einer Anzahl an geografischen Regionen in der Planung, hauptsächlich in Nordamerika und Europa, aber auch in Australien. Und ein oder zwei Dinge sicher auch in Asien.
Technologisch schauen wir kontinuierlich auf zwei Bereiche: Zum einen Technik für Produktivität, zum anderen Technik für Nachhaltigkeit. Wo immer es praktikabel ist, führen wir Dinge wie elektrische Fahrzeuge und elektrische Stapler im Lager ein. Das geschieht in Phasen, schon allein weil es für manche Fahrzeuge oder Ausrüstung Verträge mit einer gewissen Laufzeit gibt. Wir beschäftigen uns auch mit erneuerbaren Energien, mit Solarpaneelen auf Lagern, auf den neueren Gebäuden werden sie von Anfang an mitinstalliert. Doch man muss auch sagen, dass manchmal die Kosten ein Problem sind: Wir sind sehr kundenorientiert, und Kunden wollen immer den niedrigsten Preis. Wir könnten manchmal bei weitem nachhaltigere, grünere Lösungen und Optionen anbieten, aber die Kunden wollen nicht immer dafür zahlen. Und wenn wir sie auf eigene Faust einführen und sie einpreisen, verhindert es, dass wir manche Verträge gewinnen. Wir arbeiten daher Hand in Hand mit unseren Kunden, um sie von manchen Lösungen zu überzeugen. Man kann zum Beispiel nachhaltigere, biologisch abbaubare Wickelfolien für Paletten verwenden. Die kosten aber eben mehr als die Standard-Plastikfolien. Ich will nicht alles auf die Regierungen schieben, aber ich denke, dass sie auf jeden Fall weltweit weiter einen pragmatischen Politikwechsel vorantreiben müssen, um mehr Einsatz grüner Technologien zu ermöglichen.
Bei der Eröffnung von Seafrigos neuer temperaturgeführter Logistikplattform in Le Havre 2021 wurde sie als multimodaler Hub bezeichnet, mit einer geplanten Anbindung an das Bahnsystem. Die Kombination Kühllogistik und Bahntransport ist in Deutschland immer eher schwierig – was ist aus diesen Plänen geworden?
Konkret gibt es in Le Havre den Gleisanschluss bis an das Logistikzentrum, aber es ist derzeit nicht angebunden. Ich weiß aber, dass das Team untersucht, wie die Bahn in dem konkreten Fall genutzt werden könnte, um unser Geschäft zu unterstützen. Aber ich denke Sie treffen den Nagel auf den Kopf: Bei zeitkritischen Sendungen wie Frischeprodukten ist das Bahnnetz in der Mehrheit der Fälle nicht wirklich praktikabel und es ist weit besser für das Produkt und seine Restlaufzeit, es direkt per LKW zu transportieren. Ich würde Ihnen gerne eine fantastische Geschichte über massive Wachstumschancen für die Bahn in der Kühlkette erzählen, aber so wie die Bahn-Infrastruktur derzeit aufgebaut ist, gibt es Herausforderungen. Das Netz ist ein »Hub and Spoke« System, und viele Bahn-Hubs haben keine Kühllager-Möglichkeiten, sodass Waren dort im Sommer im Warmen stehenbleiben.
Bleiben wir abschließend bei Herausforderungen: Was denken Sie sind derzeit die größten für die temperaturgeführte Branche?
Um ehrlich zu sein denke ich, dass es seit dem Beginn der temperaturgeführten Branche dieselbe Herausforderung ist: Die Temperaturintegrität jedes Produkts in der Kühlkette aufrechtzuerhalten. Darum dreht sich alles. Und so schließt sich der Kreis: Wir bei Seafrigo denken, dass wir durch den Aufbau eines globalen Netzwerks und die Kontrolle über so viele Assets wie möglich innerhalb dieses Netzwerks die absolut besten Erfolgschancen erzielen, diese Temperaturintegrität jedes Produkts zu erhalten. Und zusätzlich die Nachverfolgbarkeit und Transparenz der Anforderungen eines Produkts.
Aber wir haben ja gerade auch schon über Umweltaspekte gesprochen, das ist eine andere Herausforderung, die ganz eng mit der Temperaturintegrität zusammenhängt: Naturgemäß ist die Kühlkette ein Geschäft mit hohem Energieverbrauch. Nachhaltige Geschäftspraktiken, die unseren Planeten auch für die nächsten Millionen Jahre lebensfreundlich machen, sind sehr wichtig in allen Branchen, aber in unserer ganz besonders.
Herr Knox, vielen Dank für das Gespräch!