Ein Antrieb von Bosch steckt schon im Streetscooter der Deutschen Post, dem rollenden Beweis für die Vernachlässigung des Elektroantriebs durch die etablierten Fahrzeughersteller. Jetzt will der Zulieferer auch andere E-Transporter mit seiner Lösung auf die Straße bringen und sieht ein großes Marktpotenzial: Drei Viertel aller zugelassenen Nutzfahrzeuge sind Kleintransporter.
Mit zwei Klicks bestellt und noch am gleichen Tag bequem an die Haustüre geliefert: Der Online-Handel boomt – und bringt damit auch den Lieferverkehr in Metropolen an seine Grenzen. Kleintransporter und schwere LKW schieben sich durch die Innenstädte und parken aus Mangel an Entladeflächen oft in der zweiten Reihe. Die Folge: verstopfte Straßen, Lärm, Abgase. All das führt in Großstädten auf der ganzen Welt zu Verkehrschaos und zu Diskussionen um Einfahrverbote – und die treffen nicht nur den Versandhandel, sondern auch Handwerker und andere Kleinunternehmen, die mit Transportern unterwegs zu ihren Kunden sind. »Um die Warenversorgung in den Städten am Laufen zu halten, führt kein Weg daran vorbei: Der Lieferverkehr muss neu gedacht werden«, sagt Dr. Markus Heyn, Mitglied der Geschäftsführung der Robert Bosch GmbH. Das will Bosch unter anderem mit einem neuen elektrischen Antrieb für leichte Nutzfahrzeuge ermöglichen. Diesen sollen nach Plänen des Stuttgarter Zulieferers erste Fahrzeuge bereits 2019 unter der Haube haben.
Leise liefern
Der Streetscooter der Deutschen Post, der mit einem Bosch-Antrieb unterwegs ist, hat den Wandel im städtischen Güterverkehr bereits angestoßen. Nun geht Bosch einen Schritt weiter und bringt einen elektrischen Antrieb für die breite Masse der Lieferfahrzeuge auf den Markt. Die Idee hinter der Elektrooffensive: Güter werden von Verteilzentren innerhalb der Städte mit E-Transportern ausgeliefert. Gerade im Stop-and-Go-Verkehr sieht Bosch die Stromer besonders effizient. Ein Grund dafür: Das ständige Bremsen lässt sich zur Energierückgewinnung nutzen – und verlängert damit die Reichweite. Die Lieferstrecken von meist weniger als 80 Kilometern am Tag lassen sich nach Angaben des Unternehmens ohne Probleme mit einer Batterieladung erreichen. Über Nacht steht die Flotte im Depot und kann wieder geladen werden. Von möglichen Einfahrverboten in Innenstädte wären die Elektroflotten nicht betroffen, denn ihr Antrieb verursacht keine lokalen Emissionen.
Dass Paket- und Expressdienste ihre Lieferungen ressourcenschonend zum Kunden bringen, daran ist nicht nur Städten gelegen. Für erstaunliche 61 Prozent der Deutschen ist die Auslieferung durch E-Fahrzeuge mittlerweile ein wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Onlinehändlers, das hat zumindest PwC ermittelt. Ein weiterer Vorteil: Die geringe Lärmbelästigung durch Elektrofahrzeuge würde auch die Akzeptanz von Lieferungen zu späterer Stunde erhöhen. Das könnte den Verkehr zu Stoßzeiten entlasten und Lieferzeiten flexibler machen. »Bosch bringt E-Mobilität dorthin, wo sie definitiv Sinn macht – in den städtischen Lieferverkehr«, erklärt Heyn.
Fit für den Massenmarkt
Zu dem elektrischen eCitytruck-Antrieb von Bosch gehören zwei Varianten: einmal mit und einmal ohne Getriebe. Das Ziel: eine schnell integrierbare Lösung zu schaffen, die zu den unterschiedlichen Anforderungen der Automobilhersteller passt. Die Antriebslösungen lassen sich für leichte Nutzfahrzeuge zwischen 2 und 7,5 Tonnen skalieren und decken somit einen großen Teil des Nutzfahrzeugmarktes ab. Denn: Kleintransporter sind weit verbreitet. Rund drei Viertel aller in Deutschland zugelassenen Nutzfahrzeuge gehören bereits dieser Fahrzeugklasse an – Tendenz weiter steigend, zitiert Bosch eine Marktanalyse von Shell. »Der elektrische Bosch-Antrieb für Nutzfahrzeuge hat das Potenzial, den Lieferverkehr in Städten aufzurollen. Wir machen den E-Transporter fit für den Massenmarkt«, zeigt sich Heyn überzeugt.
Bosch hat mit dem neuen eCitytruck-Antriebskonzept aus mehreren Teilen wie Elektromotor und Leistungselektronik eins gemacht. So werden Bauteile eingespart – und das macht den Antrieb nach Angaben des Unternehmens nicht nur deutlich effizienter, sondern auch günstiger. Durch die leicht integrierbaren Lösungen können zeitaufwändige Neuentwicklungen beim Kunden entfallen, wirbt Bosch für sich. Und man gebe damit nicht nur etablierten Herstellern, sondern eben auch neuen Playern die Chance, ihre Fahrzeuge schnell auf den Markt zu bringen.
Mit der eAchse für PKW bietet Bosch bereits eine All-in-one-Lösung, mit der sich die Entwicklungszeiten bei Fahrzeugen deutlich verkürzen lassen. Durch die Erweiterung des Produktportfolios auf leichte Nutzfahrzeuge gehe man nun einen weiteren konsequenten Schritt, um Fahrzeughersteller bei ihrer Elektrifizierungsstrategie zu unterstützen, teilte der Hersteller mit.
Weitere Entwicklungen mit US-Start-up
Nutzfahrzeuge unter Strom zu setzen, geht bei Bosch über den Kleintransporter hinaus. Mit dem US-Start-up Nikola Motor Company entwickelt das Unternehmen einen Antrieb, der in Sachen elektrische Reichweite neue Maßstäbe setzen soll. Für Bosch sind die Antriebstechnologien für den Lieferverkehr ein weiterer Baustein, um in dem ab 2020 entstehenden Massenmarkt für Elektromobilität weltweiter Marktführer zu werden und um die Vision eines emissionsfreien, unfallfreien und stressfreien Verkehrs zu verwirklichen. Der Stuttgarter Konzern sieht eine Mobilität voraus, die elektrifiziert, automatisiert und vernetzt ist.◂
Bosch Mobility Solutions ist auf der IAA Nutzfahrzeuge in Halle 16, Stand A01.