Eine breite Verbändeallianz aus Transport, Logistik, Industrie und Handel warnt vor dem Versorgungskollaps, wenn der Fahrermangel nicht erfolgreich angegangen wird. Die Initiative hat dazu einen Fünf-Punkte-Plan gegen Logistikengpässe und Fahrermangel im Straßengüterverkehr erstellt und an Bundesverkehrsminister Scheuer übergeben.
Eine Initiative der führenden Verbände aus Transport, Logistik, Industrie und Handel hat gemeinsam einen Fünf-Punkte-Plan gegen Logistikengpässe und Fahrermangel im Straßengüterverkehr aufgestellt und diesen an Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer übergeben. Die Initiative repräsentiert nach eigenen Angaben rund 60 Prozent der Wirtschaftsleistung Deutschlands und macht mit dem Papier auf einen drohenden Versorgungskollaps aufmerksam.
Jedes Jahr scheiden in Deutschland etwa 67 000 Berufskraftfahrer aus dem Berufsleben aus. Es können jedoch nur knapp 27 000 neue Fahrer hinzugewonnen werden. Damit fehlen jährlich etwa 40 000 Fahrer, rechnet die Initiative vor, was inzwischen zu akuten Engpässen in der gesamten Logistikbranche führt. Dies habe gravierende Folgen für die gesamte deutsche Wirtschaft und die Gesellschaft, warnt die Initiative.
Das ist der Fünf-Punkte-Plan
In dem Fünf-Punkte-Plan fordern die Verbände gemeinsame Anstrengungen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie zeigen die fünf zentralen Handlungsfelder auf, die schnellstens in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe unter Beteiligung aller relevanten Bundesministerien konkretisiert und umgesetzt werden müssen. Zu den Handlungsfeldern gehören: Mehr Wertschätzung und eine Erhöhung der Attraktivität des Fahrerberufs, die Verbesserung der Ausbildung und Qualifizierung, eine Imagekampagne, eine Verbesserung der Infrastruktur und eine umfassende Digitalisierungsstrategie.
Attraktivität des Fahrerberufs erhöhen
Der Fahrerberuf muss in der Überzeugung der Verbände deutlich attraktiver werden. Hierzu seien eine angemessene Wertschätzung der Berufskraftfahrer und ein fairer Umgang insbesondere an den Be- und Entladestellen Voraussetzung. Neben einer auskömmlichen Entlohnung in einem fairen Wettbewerbsumfeld seien ein sicherer und moderner Arbeitsplatz sowie eine »Work-Life-Balance«, die durch innovative Arbeitszeitmodelle erreicht werden könne, erforderlich. Darüber hinaus sollen auch mehr Frauen – deren Anteil liegt nach Angaben der Initiative derzeit bei circa zwei Prozent – für den Fahrerberuf gewonnen werden.
Die Grundlagen für einheitliche europäische Regelungen über flexiblere Lenk- und Ruhezeiten können jetzt im Rahmen des EU-Mobilitätspaketes geschaffen werden, werben die Verbände. Das Reformvorhaben biete die Chance für ausgewogene Rechtsvorschriften, die im Interesse der Glaubwürdigkeit, der Akzeptanz und des Sicherheitsbedürfnisses der Fahrer zwingend in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen umgesetzt und effektiv kontrolliert werden müssen. Unter dem Primat der effektiven Kontrollierbarkeit gelte es, die Dynamik und Flexibilität des Binnenmarktes zu erhalten und angemessene Sozialstandards europaweit festzuschreiben, fordern die Verbände.
Ausbildung und Qualifizierung stärken
Die Möglichkeiten zur Ausbildung und Qualifizierung von Berufskraftfahrern sollten bei Beibehaltung eines hohen Qualitätsmaßstabes stärker ausgeschöpft werden. Das bewährte Instrument der »beschleunigten Grundqualifikation« kann hierzu nach Meinung der Initiative einen erheblichen Beitrag leisten, ebenso wie eine attraktivere Berufsausbildung, die stärker die Veränderungen des Berufsbildes berücksichtigt. Es solle geprüft werden, wie ausländische Berufsqualifikationen und Nicht-EU-Fahrerlaubnisse einfacher anerkannt werden können. Die Führerschein-Förderung für Quereinsteiger durch Bildungsgutscheine und steuerliche Förderung sollte gestärkt werden, schlägt die Initiative vor.
Fahrergewinnung unterstützen
Um die Öffentlichkeit für den Fahrernotstand zu sensibilisieren, die öffentliche Wahrnehmung des Berufsbildes zu verbessern und potentielle Kandidaten auf die Chancen des Berufsbildes aufmerksam zu machen, ist nach Überzeugung der Initiative eine Imagekampagne mit Unterstützung des Bundes dringend erforderlich. Insbesondere sollte jungen Menschen vermittelt werden, dass die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung zwar die Anforderungen an den Fahrerberuf verändern, ihn aber keineswegs überflüssig machen – im Gegenteil, der Technologiefortschritt biete zugleich große Chancen für den Fahrerberuf und dessen Attraktivität, erklären sie.
Darüber hinaus müsse das Berufsbild »Berufskraftfahrer« in die bundesweite Fachkräfte-Engpassanalyse sowie in die »Positivliste Zuwanderung in Ausbildungsberufe« der Bundesagentur für Arbeit aufgenommen werden. Gleichzeitig sei ein Integrationsprogramm, inklusive Sprachförderung, zur Gewinnung und Betreuung von Nachwuchs und Quereinsteigern sowie Fahrern aus anderen EU-Mitglieds- sowie Drittstaaten notwendig. Zudem müsse es einfacher werden, Fahrer aus Drittstaaten, die in Deutschland eine verbindliche Arbeitsplatzzusage vorweisen können, mit einem Visum und den weiteren Voraussetzungen zur Ausübung des Fahrerberufs auszustatten.
Der Beruf des Kraftfahrers muss, so die Initiative, wie alle anderen Berufsbilder im Logistiksektor bei der Berufsorientierung an Schulen eine größere Rolle spielen. Auch die Berufsberater der Bundesagentur sollten den Beruf verstärkt in ihre Beratung einbeziehen, um junge Menschen und Arbeitssuchende auf den Beruf aufmerksam zu machen.
Infrastruktur verbessern und Planung beschleunigen
Die bestehenden Mängel in der Infrastruktur als Teil des Arbeitsumfelds eines LKW-Fahrers haben nach Meinung der Verbände einen erheblichen Anteil daran, dass sich die Attraktivität des Fahrer-berufs verschlechtert hat. Der Zustand der Straßen-, Parkplatz- und digitalen Infrastruktur ist dringend zu optimieren, so die resultierende Forderung. Das Straßen-, Verkehrs- und insbesondere auch das Baustellenmanagement – inklusive der Kommunikation bestehender Baustellen an die Nutzer – müsse verbessert werden, wozu auch der Ausbau digitaler Informationssysteme beitragen könne. Nicht zuletzt aus Gründen der Verkehrssicherheit und der Verlässlichkeit der Lieferketten sieht die Initiative den Gesetzgeber in der Pflicht, für ausreichende LKW-Stellplatzkapazitäten und für eine sichere Ausstattung der Parkplätze zu sorgen. Nur so können die gesetzlichen Vorgaben zur Einhaltung der Ruhezeiten erfüllt werden.
Der Rechtsrahmen für die Planung und die Genehmigung von Straßenbauvorhaben muss so novelliert werden, dass Projekte beschleunigt werden, fordert die Initiative weiter. Insbesondere marode Autobahnbrücken ließen sich erheblich schneller sanieren, wenn die Rahmenbedingungen für die Anwendung des Instruments der Plangenehmigung verbessert würden. Brücken-Ersatzneubauten, die auch mit Kapazitätserweiterungen verbunden sein können, sollten zukünftig grundsätzlich als Instandhaltungsmaßnahme aufgefasst werden, regen die Verbände an.
Umfassend digitalisieren
Die Prozesse im Transport- und Logistiksektor müssen vernetzter, smarter und effizieenter werden. Als Voraussetzung dafür sehen die Verbände den flächendeckenden Ausbau der digitalen Infrastruktur, die es der Wirtschaft ermögliche, unter anderem dynamische Informations- und Steuerungssysteme verstärkt einzusetzen. Darüber hinaus sollte das Zusammenspiel von industriellem Know-How und professioneller Logistik mit Unterstützung aller Beteiligten grundlegend verbessert werden. Der unter Federführung des Fraunhofer-Instituts stehende und mit Bundesmitteln geförderte Industrial Data Space böte hierfür eine geeignete Plattform, die allen Branchen und Logistikdienstleistern offensteht. Durch die umfassende Digitalisierung könnten zugleich bürokratische Hemmnisse abgebaut und behördliche Kontrollen unter Nutzung digitaler Möglichkeiten beschleunigt werden. Der avisierte intelligente Fahrtenschreiber muss ebenso wie der elektronische Frachtbrief schnell europaweit eingeführt werden, so eine weitere Forderung des Papiers.
Unterstützung auch vom DFHV
Der Deutsche Fruchthandelsverband e. V. (DFHV) unterstützt die gemeinsame Initiative des BGA und weiterer Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft gegen Logistikengpässe und Fahrermangel im Straßengüterverkehr. »Verbraucher erwarten zu Recht frisches Obst und Gemüse in höchster Qualität und das stellt höchste Anforderungen auch an die Logistik. Hier droht allerdings ein Versorgungskollaps«, begründete der Geschäftsführer des DFHV, Dr. Andreas Brügger.◂
Diese Verbände stehen hinter dem Fünf-Punkte-Plan:
Bundesverband Möbelspedition und Logistik (AMÖ)
Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL)
Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA)
Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI)
Deutscher Speditions- und Logistikverband (DSLV)
Handelsverband Deutschland (HDE)
Verband der Chemischen Industrie (VCI)
Verband Deutscher Papierfabriken (VDP)
Pro Mobilität – Initiative für Verkehrsinfrastruktur
Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL)
Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK)
Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland (bevh)
WirtschaftsVereinigung Metalle (WVMetalle)
Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden (bbs)
Initiative zur Imageverbesserung von BGL und Krone
In einer auch für andere Unternehmen und Verbände offenstehenden Initiative wollen die emsländische Krone Nutzfahrzeug Gruppe und der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e. V. zur Imageverbesserung der Logistikbranche sowie zu einem besseren Ansehen der Berufskraftfahrer beitragen. Als Startkapital für den noch zu gründenden Interessenverein hatte Krone einen Sattelauflieger mit dem Brummi-Logo des BGL gespendet, Diesen hat die Langenlonsheimer Transport GmbH für die stolze Summe von 26 500 Euro ersteigert. Im Dezember wurde der Brummi-Trailer von Krone-Geschäftsführer Dr. Frank Albers im Beisein von BGL-Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Dirk Engelhardt an die Langenlonsheimer Transport GmbH übergeben. »Wir freuen uns natürlich sehr, dass wir mit der L.T.G. einen weiteren starken Partner für diese Initiative gewinnen konnten. Überhaupt ist das positive Feedback, das wir auf dieses Engagement von unseren Kunden erhalten, überwältigend«, berichtete Albers. »Daher haben wir beschlossen, weitere 50 Profi Liner mit Brummi-Beschriftung zu bauen und im Markt anzubieten. So möchten wir zusammen mit allen Beteiligten das Image des Berufskraftfahrers weiter nachhaltig stärken.«
»Mir ist wichtig, dass die Gesellschaft über die Wichtigkeit des Berufskraftfahrers und deren für Wirtschaft und Bevölkerung unverzichtbare Arbeit informiert wird«, erklärte Manfred Graffe, Geschäftsführender Gesellschafter der Langenlonsheimer Transport GmbH. »Auch ein BGL kann hierbei nicht viel ausrichten, wenn er nicht mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet ist – deshalb meine volle Unterstützung für diese Initiative!«