In der komplexen Frischewelt der Lebensmittellogistik sind effiziente Lieferketten und eine fortschrittliche Lagerlogistik unerlässlich. Nur mit ihnen ist der Spagat zwischen Hochleistungsproduktion und den individuellen Bedürfnissen der Abnehmer zu meistern. Intelligente Lösungen der Lagerautomation spielen dabei ihre Stärken aus.
Automatisierungssysteme und Robotik sind in der Frischelogistik heutzutage unverzichtbar. Die passenden Lager- und Kommissioniersysteme ermöglichen eine Effizienzsteigerung, da sie Aufträge schnell und präzise abwickeln. Das ist insbesondere bei verderblichen Waren von entscheidender Bedeutung. Zeitgleich minimieren Robotergreifer, die speziell für die Handhabung empfindlicher Produkte wie SB (Selbst-Bedienungs)-Schalen entwickelt wurden, Beschädigungen und Verluste während des Sortier- und Verpackungsprozesses.
Der Spagat zwischen Großauftrag und E-Commerce
Das Zusammenspiel von Großbestellungen und E-Commerce stellt eine besondere Herausforderung für die Intralogistik dar. Einerseits müssen die Lager mit modernster Technik ausgestattet sein, um hohe Durchsatzgeschwindigkeiten zu ermöglichen und die Frische der Produkte zu gewährleisten. Andererseits erfordert der E-Commerce Lagerlösungen, die eine schnelle Anpassung an wechselnde Bestellmengen und Produktvarianten ermöglichen. Hier sind flexible Technologien und skalierbare Automatisierungslösungen gefragt, um sowohl die Anforderungen des Großhandels effizient zu bedienen als auch individuelle Kundenwünsche zu erfüllen. Zu den marktspezifischen Besonderheiten zählt neben saisonalen Spitzen auch die Varianz in der Bestellstruktur: Viele Geschäfte wie Bäckereien oder Metzgereien bestellen nur kleine Mengen, während Supermarktketten und andere Großabnehmer ganze Paletten ordern. Diese zunehmende Varianz der nachgefragten Leistungen in der Kommissionierung und im Versand trifft auf einen eklatanten Arbeitskräftemangel. Doch wie begegnen Produzenten und Lieferanten diesen Herausforderungen? »Als Generalunternehmer haben wir bereits zahlreiche Projekte in der Lebensmittellogistik begleitet. Automatisierungen waren dabei immer ein unerlässlicher Knotenpunkt für die erfolgreiche Umsetzung der komplexen Prozesse«, erklärt Yusuf Kaya, Key Account Manager der Unitechnik Systems GmbH.
Das richtige Palettiermuster entscheidet
Das automatische Palettieren von verschiedenen Ladeeinheiten auf Versandpaletten ist eine Kunst für sich, die optimiert werden muss, um den Raum effizient zu nutzen und die Produkte während des Transports zu schützen. Kundenspezifische Anforderungen können variieren, abhängig von den Bestellvolumina, der Art der Produkte und den Zielmärkten. Fortschrittliche Softwarelösungen, die mit intelligenten Algorithmen arbeiten, können helfen, ideale Palettiermuster zu generieren, die nicht nur die Stabilität der Ladung gewährleisten, sondern auch den schnellen Zugriff auf bestimmte Artikel erleichtern, sollte dies beim Auspacken erforderlich sein. Automatisierte Palettierroboter können diese Muster effektiv umsetzen und dabei helfen, die Ladezeiten zu verkürzen und menschliche Fehler zu reduzieren.
Herausforderung »Transport« – das Handling von Fleischkisten
In der Frischelogistik kommen beim Transport zwischen den Wertschöpfungsstufen oder Handelspartnern oft die sogenannten Fleischkisten nach den Maßen E1, E2 oder E3 zum Einsatz. Diese Mehrwegkisten aus Kunststoff werden durch Transport und Reinigung stark beansprucht. Sie eignen sich daher nur bedingt als Ladungsträger innerhalb einer automatisierten Förder- und Lagertechnik. »Wir haben hierfür zwei Lösungen entwickelt. Euro-Fleischbehälter können direkt oder auf einem Träger-Tablar gefördert werden«, erklärt Kaya. Wie funktionieren diese Lösungen? Im ersten Fall wird der Behälter am Identifikationspunkt durch ein vollautomatisches Vermessungssystem auf Förderfähigkeit geprüft. NIO(Nicht-in-Ordnung)-Fälle werden zur Nachbearbeitung ausgeschleust. Im zweiten Fall werden die Kästen vollautomatisch auf eine Trägertablar gesetzt. Das zusätzliche Leertablarhandling wird durch ein speziell entwickeltes Puffersystem gelöst.
Vom Frischgeflügel bis zum Convenience-Food
Jedes Projekt hat in der Lebensmittellogistik seine individuellen Schwerpunkte. So gehören zum Beispiel nicht nur Produzenten von Frischfleisch oder haltbaren Lebensmitteln zum Kundenkreis, sondern auch Airline-Caterer oder weiterverarbeitende Betriebe wie Convenience-Food-Hersteller. »Automatisierungslösungen sind daher in der Lebensmittellogistik sehr facettenreich, bringen aber im Hinblick auf Effizienz und Genauigkeit viele Vorteile«, so Kaya. »Folgende Projekte sind mir besonders in Erinnerung geblieben.«
1. Frische-Manufaktur – Leidenschaft für gutes Essen
Viele Convenience-Food-Hersteller stehen vor der Aufgabe, Kunden wie Gastronomie, Cafeterien und Kantinen in Schulen und Krankenhäusern schnell und unter Einhaltung der Kühlkette zu beliefern. Das liegt unter anderem an dem kurzen Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) der produzierten Lebensmittel. Damit in diesem Prozess keine Fehler passieren, setzt einer der größten Anbieter Europas in seinem neuen Logistikzentrum auf eine automatisierte Intralogistik. Herzstück des zusammen mit Unitechnik entwickelten Systems ist ein Shuttle-Lager für 30 000 Euro-Fleischbehälter (E-Kisten) im Normalkühlbereich. Das Shuttle-Lager ist multifunktionsfähig, das heißt es werden sowohl sortenreine E2-Gebinde aus dem Wareneingang als auch kommissionierte E2-Kundengebinde ein- und ausgelagert. An die Shuttle-Gassen sind seitlich Pickzonen angeordnet. Die Pickschächte der Quell-Behälter (Person-zur-Ware) werden von den Shuttle-Fahrzeugen mit sortenreinen Gebinden nachgefüllt. Die Kommissionierung von C-Artikeln sowie Wiegeartikeln erfolgt an Ware-zur-Person Plätzen.
2. Frischgeflügel – Qualität, die man schmeckt
Bei der Produktion und dem Versand von Frischfleisch sind kurze Wege und eine gute Klimatisierung entscheidend. Das neue Logistikzentrum eines bekannten deutschen Frischgeflügelverarbeiters ist daher über eine Förderbrücke für Paletten, Kisten und Kartons mit der Produktion verbunden. Diese werden vollautomatisch auf ein Trägerregal gestellt. Herzstück der Logistikanlage ist ein Hochleistungs-Shuttlesystem, das die aus der Produktion kommenden Waren bei circa 0 bis 2 °C zwischenlagert und nach Kundenauftrag sequenziert auslagert. Am Kommissionierplatz werden die E1-, E2-Kisten und Kartons auf automatisch bereitgestellte Kundenpaletten palettiert. Es werden auch Online-, Stück- und Sortimentsaufträge bearbeitet. Ein weiterer Bereich ist das Tiefkühllager. Hier lagern die Paletten bei -25 °C in einer Verschieberegalanlage. Die Unitechnik-Lagerverwaltungssoftware Uniware steuert alle Warenbewegungen von der Übernahme aus der Produktion über die Etikettierung der Produkte, die Ware-zur-Person-Kommissionierung bis hin zur Verladung.
3. Immer einen Schritt voraus sein, Herausforderungen spielend meistern und Genuss neu erleben
Ein bekannter Hersteller von Gewürzen und Saucen hat diese Herausforderung unterstützt von Generalunternehmer Unitechnik mit einem Ware-zur-Person-Kommissioniersystem gelöst. Ware-zur-Person Kommissionierplätze für Behälter und Paletten übernehmen die Bearbeitung der Kundenaufträge. Außerdem kommen Roboter zum Palettieren und Depalettieren zum Einsatz. Um den oben geschilderten Spagat zwischen Großaufträgen und E-Commerce zu bewältigen, wurde am Warenausgang ein Hubbalkenspeicher für die Auftragskonsolidierung installiert. Neben der Förder- und Lagertechnik spielt das Lagerverwaltungssystem Uniware dabei die entscheidende Rolle.
Kurz-Info Unitechnik
Die Unitechnik Systems GmbH mit Sitz in Wiehl zählt seit fünf Jahrzehnten zu den führenden Anbietern von Industrie-Automatisierung und Informatik. Das Familienunternehmen plant und realisiert in zweiter Generation maßgeschneiderte Systeme für Distributions- und Fulfillment-Zentren, Luftfracht-Lager sowie Produktion. Dabei tritt Unitechnik weltweit als Systemintegrator und Gesamtlieferant auf.
Künstliche Intelligenz zur Bestellvorhersage
Auch der der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) zur Vorhersage von Bestellungen ist ein weiterer entscheidender Faktor für die Optimierung der Frischelogistik. Durch das Sammeln und Analysieren großer Datenmengen können Algorithmen des maschinellen Lernens die Nachfrage wesentlich besser vorhersagen als ein erfahrener Mitarbeiter. Dadurch können Logistikunternehmen ihr Personal besser planen, ihre Lagerbestände effizienter verwalten und die Verschwendung von Lebensmitteln minimieren. KI kann auch dabei helfen, Lieferzeiten zu optimieren und dynamische Lieferpläne zu erstellen, die auf Echtzeitdaten wie Verkehrsinformationen und Wetterbedingungen basieren.
Fazit
Automatisierung ist ein Schlüsselfaktor für eine effiziente und nachhaltige Lebensmittellogistik. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Arbeitskräftemangels ist sie ein notwendiger Schritt, um den hohen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden und gleichzeitig die Qualität zu sichern. Neben exakt aufeinander abgestimmten Ein- und Auslagerungsstrategien unterstützt eine automatisierte Lösung auch die Einhaltung und Dokumentation von Hygienestandards und Kühlketten. Leistungsreserven für Nachfragespitzen lassen sich ebenso realisieren wie die Kleinteiligkeit des E-Commerce-Geschäfts. »Ein Logistiksystem, passgenau auf die eigenen Prozesse zugeschnitten, lässt sich am besten durch eine herstellerneutrale Planung und Realisierung sowie guten Service umsetzen«, so Kaya. Die Zukunft der Lebensmittellogistik liegt in der weiteren Integration von KI und Robotik, um die Effizienz zu steigern und neue Geschäftsmodelle im E-Commerce zu ermöglichen.
Michael Huhn
Neue Führung im Customer Service
Christian Stangier hat die Leitung der Serviceabteilung bei der Unitechnik Systems GmbH übernommen. Derzeit sind dort mehr als 30 Experten im Customer Service beschäftigt. Mit seiner langjährigen Erfahrung in den Bereichen Automatisierung und Projektleitung bringt Stangier umfassende Kenntnisse aus vielen Kundenprojekten ein. Er plant den weiteren Ausbau im Bereich Predictive Services und die Positionierung von Unitechnik als Lifetime-Partner. Stangier ist seit 2016 für den Wiehler Generalunternehmer als Automatisierungsspezialist und Projektleiter für Logistikprojekte tätig. Zuletzt übernahm er die Leitung des Teams für Elektrokonstruktion und Montage. »Das Aufgabenspektrum im Customer Service wird aufgrund der wachsenden Komplexität der Anlagen und der weitreichenden IT-Integration immer anspruchsvoller. Vorausschauende Wartung ist aus unserer Sicht eine wichtige Stellschraube für den stabilen Betrieb der Systeme«, erklärt Stangier. »Als Lifetime-Partner beraten wir unsere Kunden proaktiv und sichern so den langfristigen Systembetrieb.«
Ein immer wichtiger werdendes Thema für Kunden ist die Cybersicherheit im Produktions- und Logistikumfeld. Deshalb übernimmt die Abteilung Customer Service neben der Wartung der Systeme auch die Beratung und Umsetzung im Bereich der digitalen Sicherheit.
Unser Autor
Unser Autor Michael Huhn ist Vertriebsleiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei der Unitechnik Systems GmbH in Wiehl.