Komplexe Prozesse effizient zu strukturieren, das Zusammenspiel an vielen Schnittstellen optimal zu steuern, mit Spitzentechnik und innovativen Lösungen höchste Qualität und Leistung zu erzielen: Das war die Herausforderung bei der Planung und Umsetzung eines der modernsten, vollautomatisierten Tiefkühl-Logistikzentren für den Lebensmittelhersteller Bell Schweiz. Eine starke Antwort lieferte Stöcklin Logistik AG.
Bell Schweiz ist in den Bereichen Fleisch, Charcuterie und Seafood Marktführer in der Schweiz. Um die technologische Führungsposition zu stärken und das Kerngeschäft in der Schweiz zu sichern, investiert das zur Bell Food Group gehörende Markenunternehmen seit 2020 in die umfassende Modernisierung und den Ausbau des Schweizer Standortes Oensingen. Wichtiger Eckpfeiler dieses Investitionsprogramms war zuletzt das Go Live eines von der Stöcklin Logistik AG hoch automatisierten Tiefkühl-Hochregallagers (TK-HRL) im April 2023, das mit durchdachter Prozessführung und führender Technik nicht nur die Bevorratung und Bereitstellung eigener Produkte auf ein neues Niveau hebt, sondern dem Fleischverarbeiter auch den Auftritt als starker Frischelogistik-Dienstleister für Partner und Drittkunden ermöglicht. Die verschiedenen Stockwerke des Gesamt-Projekts wurden gestaffelt in Betrieb genommen. Im August 2024 wurde die Anlage komplett abgenommen.
Die beste Lösung für komplexe Prozesse
Alle komplexen Prozesse mussten effizient und im optimalen Zusammenspiel abgewickelt werden. Neben den Tiefkühl-Kapazitäten gehören nun auch Services wie Kommissionierung, Preisauszeichnung, Multipack und ähnliches zum Leistungsangebot. Bisher einzigartig dabei ist nach Angaben von Stöcklin, dass auch dem Lager vor- und nachgelagerte betriebliche Prozesse in die Anlage integriert wurden: Branchenweit erstmals finden die automatische Frostung, Lagerung und Akklimatisierung der Fleischwaren unter einem Dach statt, so der Schweizer Intralogistiker. Und das komme sowohl der Qualität der Produkte als auch der Energieeffizienz in der Kühlkette zugute: Der Energiebedarf für das Schockfrosten und Antauen von bis zu 160 Tonnen Waren, die Verarbeitung und Aufbewahrung bei bis -30 °C sowie der Umschlag von bis zu 2500 Paletten pro Tag liegt im neuen Tiefkühl-HRL rund 50 Prozent niedriger als zuvor. Dazu tragen nicht nur modernste Isolation und Klimatechnik, sondern auch die hoch kompakte Lagerung der Waren auf den fast 36 000 Hochregal-Stellplätzen sowie die intelligente, automatische Regalbedien-, Palettenförder- und Kommissioniertechnik von Stöcklin bei.
Der Kern: Zehngassiges Tiefkühl-Hochregallager
Kern der Lösung ist das vollautomatische, 30 Meter hohe und inertisierte, zehngassige TK-HRL. In den 80 Metern langen Gassen fahren zehn leistungsstarke, tiefkühlfähige Regalbediengeräte der Stöcklin Master-Serie (Typ 2032), die bis zu 800 Kilogramm schweren Euro-I- und Industriepaletten in Holz und Kunststoff zweifachtief ein- und auslagern. Mit Fahrt- und Hubgeschwindigkeiten von 3,15 beziehungsweise 1,00 m/s und energieoptimierter Beschleunigung von 0,40 respektive 0,5 m/s2 bei Fahrt und Hub können sie in Spitzenzeiten in der Stunde bis zu 280 Paletten ein- und bis zu 250 Paletten auslagern. Schnell, sicher und zuverlässig.
Die Peripherie: Vier Vorzonen auf vier unterschiedlich temperaturgeführten Etagen
Die Tiefkühl-Hochregal-Zone ist über neun Inertisierungsschleusen und 1,4 Kilometer Palettenfördertechnik mit vier unterschiedlichen Vorzonen auf vier Etagen verbunden: Im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss gibt es ein Ein-Auslager-Rundlaufsystem für Direktübergaben an die Hochregal-Bedienung. Ins zweite und dritte Obergeschoss führt der Weg über Doppel-Palettenaufzüge (stationierte Kettenhubvorrichtungen), die mit Hilfe von fahrerlosen Transportsystemen (FTS) eine durchgehend vollautomatisierte Transportkette sichern.
Im Erdgeschoss werden im Wareneingang sowohl Frischeprodukte sowie TK-Produkte über Wareneingangsstrecken mit Profilkontrolle für Ganzpaletten und Containerware entgegengenommen und direkt in das HRL eingelagert. Daneben werden im automatisierten Warenausgang Ladungen für drei Tiefkühl- und einen Frischwaren-LKW sowie Kleinaufträge versandfertig kommissioniert, inklusive automatischer Versandetikettierung und Versandgewichtserfassung. Die bis zu 33 Paletten pro LKW werden auf Schwerkraftbahnen bereitgestellt – bei Betriebstemperaturen von -22 °C (TK) beziehungsweise +1 °C (Kühlwaren).
Im ersten Obergeschoss erfolgt bei -20 °C die Kommissionierung von TK-Paletten. Das HRL führt Paletten auf 14 Bereitstellungsbahnen. Sie versorgen die drei dynamischen, höhenverstellbaren Doppel-Kommissionierplätze, die mit Waage und Nachschub-Pufferplätzen ausgestattet sind, und die manuelle Stapler-Regalkommissionierung, die mit integrierten Karton-Durchlauf arbeitet. Beide übergeben fertige Paletten an die Aufgabestrecke zur automatischen Folienwicklung, Profilkontrolle und Versand-Etikettierung.
Das zweite Obergeschoss dient mit 354 Bodenplätzen und einer Betriebstemperatur von 0 °C bis –2 °C als Blocklagerpuffer für Frischewaren aus dem Eingang sowie der Akklimatisierung kommissionierter TK-Waren für den Ausgang. Vier autonome Transportfahrzeuge Typ Eagle-Ant 2 von Stöcklin, die für die zweistöckige Palettenlagerung speziell ausgelegt sind, bewegen die Euro-Paletten automatisch zwischen Doppelaufzug und Hochleistungs-Gebinde-Schockfroster (Einlagerstrecke), innerhalb des Pufferlagers sowie zum Kettenhub für die De- und Repalettierung im dritten Obergeschoss (Auslagerstrecke). Dort werden dabei ganze Gebinde von zwei Protalrobotern umgesetzt, vereinzelte Kartons werden an zwei Plätzen manuell mit Hilfe von Hochleistungshebern bewegt. Drei FTS Typ Eage-Ant 1 von Stöcklin übernehmen – je nach Prozessschritt – den vollautomatisieren Transport von Paletten und Kartons zwischen der Fördertechnik, den 22 Pufferplätzen auf der Fläche, den automatischen und manuellen De-/Palettierstationen, dem über zwei Stockwerke reichenden Schockfroster, einer einzigartigen Radio-Frequency-(RF)-Akklimatisierungsanlage, mit der die Temperatur der Gefrierware bei Bedarf für die weitere Verarbeitung in nur 40 Minuten vollautomatisch und kontrolliert von -24 °C auf -2 °C gebracht werden kann, und dem Folienwickler.
Kurz-Info Bell Food Group
Die Bell Food Group gehört zu den führenden Fleisch- und Convenience-Verarbeitern in Europa. Das Angebot umfasst Fleisch, Geflügel, Charcuterie, Seafood sowie Convenience und vegetarische Produkte. Mit verschiedenen Marken wie Bell, Eisberg, Hilcona und Hügli deckt die Gruppe vielfältige Kundenbedürfnisse ab. Zu den Kunden zählen der Retail, der Food Service sowie die Lebensmittelindustrie. Rund 13 300 Mitarbeiter erwirtschaften einen Jahresumsatz von über 4,5 Milliarden Schweizer Franken.
Planung und Realisation Tiefkühl-Logistikcenter
Die Stöcklin Logistik AG wurde als Generalunternehmen mit der Umsetzung beauftragt, inklusive Stahlbau und Integration der Fremdanlagen, die während des Baus eingebracht und installiert wurden. Sämtliche Geräte und Bauteile wurden speziell für den 24/7-Betrieb in Tiefkühlzonen ausgelegt. Insgesamt wurden 1100 Meter Palettenfördertechnik und 320 Meter Gebinde-/Tablar-Fördertechnik in Tiefkühl-/Kühlausführung von Stöcklin verbaut.
Die AGVs können – dank der patentierten, hocheffizienten Li-Ion-Batterie von Stöcklin – nicht nur ausdauernd transportieren, sondern auch an Ladestationen innerhalb der Tiefkühlzone vollautomatisch nachladen. So müssen sie ihren Einsatzbereich nicht verlassen und stehen quasi unterbrechungsfrei zur Verfügung.
Alle SPS-Steuerungen, mit denen zum Beispiel Transportanlagen, fahrerlose Transportsysteme, Regalbediengeräte, Portalroboter, Kommissionierplätze, Folienwickler oder Etikettierer manövriert werden, sind über die Schnittstellen der Stöcklin LogOS Software direkt an das übergeordnete Lagerverwaltungs-/ERP-System SAP EWM angeschlossen. So wird der komplette Materialfluss vollautomatisch koordinier- und optimierbar. Bestände und Platzbelegung werden komfortabel visualisiert und auch an Steuerständen auf der Fläche einsehbar gemacht. Und das übergreifend, für alle Lagerbereiche.
»Das macht unser Tiefkühllager einmalig«
Interview mit Yvo Wick, verantwortlicher Projektleiter Bell Schweiz.
Was waren die allgemeinen und besonderen logistischen Herausforderungen an diesem Projekt?
Am herausforderndsten war es, die verschiedenen Anforderungen von Betrieb und Prozess so zu definieren, zu designen und auch entsprechend zu simulieren, dass es keinen Engpass gibt, dass vor allem die Ware vollständig akklimatisiert und die komplette Technik ideal eingebunden ist. Es galt, auch bei der Fördertechnik genügend Puffer vorzusehen, damit es auch bei Spitzen nicht zu Überlastungen, Engpässen oder Blockaden kommt. Nicht unterschätzen sollte man zudem die Anforderungen an die Anlagen und an die Logistik in den Tiefkühlbereichen: Ist das Motorenöl für die Kälte geeignet? Oder beim Frosten: Wie viel Fett ist in der Ware? Und dann war ein Knackpunkt, Frosten und Akklimatisieren mit einzubinden.
Was war Ihr persönliches Highlight also an diesem ganzen Projekt?
Ja, da gibt es einige. Aber mein persönliches Highlight war es zu sehen, wie die ersten Paletten mit »scharfer« Ware hineingefahren sind. Es war ein besonderer Moment für alle Mitarbeiter zu sehen: Es funktioniert. Besonders ist auch, wenn man bei dem ganzen Prozess von derersten Idee bis zur kompletten Ausführung und Inbetriebnahme mit dabei sein kann. So war der ganze Prozess für mich persönlich ein Highlight.
Wie lief die Zusammenarbeit?
Es war eine sehr gute und professionelle Zusammenarbeit zwischen den drei Partnern: Bell als Bauherr, Weber und Partner als Logistikplaner und Stöcklin als Intralogistik-Lieferant. Alle waren stark in der Abstimmung und darin, flexible Lösungen zu finden. So hatten wir beispielsweise während der herausfordernden Corona-Zeit diverse Probleme mit der Beschaffung von Elektronikteilen. Trotzdem gab es keine großen Verzögerungen.
Dabei waren sicherlich die kurzen Wege bei Stöcklin von Vorteil und, dass große Teile der Gesamtanlage – Regale, Förderanlagen, Bediengeräte, FTS – inhouse, unweit der Baustelle im Technologie-Center in Laufen gefertigt werden konnten. So ist alles aus einem Guss, es gibt wenig Zukaufteile. Dazu kam die Tiefkühlkompetenz von Stöcklin. Verschiedene Aspekte wie Zeitplan, Qualität und Budget wurden erfolgreich eingehalten, was bei einem solch komplexen Unterfangen nicht selbstverständlich ist und hohe Anerkennung und Respekt verdient. Daraus entstandene Diskussionsthemen ließen uns zusammenwachsen und wurden partnerschaftlich gelöst.Wie läuft das in der Branche, dieses einzigartige Zusammenspiel von vollautomatischen Einlagern-Frosten-Entfrosten und Akklimatisieren?
Als einziges Tiefkühl-Logistikcenter europaweit können wir nun Waren an einem Standort und innerhalb einer Logistikkette einlagern, frosten, entfrosten und akklimatisieren. Das macht unser Tiefkühllager einmalig und wirkt sich positiv auf unseren ökologischen Fußabdruck aus.
Die Anlage läuft zu unserer Zufriedenheit. Wir konnten die Lagermengen von 15 000 auf fast 36 000 Paletten mehr als verdoppeln. Bei gleichbleibender Anzahl an Mitarbeitern, halbiertem Energieverbrauch und hoher Qualitätssicherung der Ware.