Eine Krise braucht es nicht. Aber wenn sie kommt ist die Kunst, aus ihr gestärkt hervorzugehen. Mit seiner nach einem Großbrand komplett neu errichteten, vollautomatischen Produktions- und Intralogistikanlage stellt die Metzgerei G. Pfitscher heute eines der modernsten Werke der Zunft, geplant und umgesetzt mit Stöcklin Logistik.
Die Südtiroler Metzgerei G. Pfitscher ist ein international geschätzter Hersteller hochwertiger Wurstwaren und Fleischspezialitäten. Kernprodukt ist der nach traditioneller Methode gefertigte Südtiroler Speck ggA, der – leicht geräuchert und lange luftgetrocknet – am Stück oder konfektioniert in den Versand geht. Zu den
Kunden gehören auch viele kleine Fach- und Spezialitätengeschäfte in einem geographisch weit gestreuten Netz. Die Kombination von empfindlichen, haltbarkeitssensiblen Produkten und hohen Erwartungen an Versand und Verfügbarkeit in höchster Qualität macht eine perfekte Produktions- und Lagerlogistik zu einem Dreh- und Angelpunkt des Erfolgs und des guten Namens.
Schon vor dem Großbrand, der im März 2020 das Werk in Burgstall in Schutt und Asche legte, hatten die Pfitschers Großes im Sinn: Sie wollten ihre Prozessautomation auf ein neues Niveau heben – und damit ein Fundament für nachhaltiges Wachstum legen.

Die 2-in-1 Speziallösung für Pfitscher Burgstall: Ein eingassiges Gebindestapel-Kanallager (GKL) in Kombination mit einem eingassigen FSP-Shuttle-Lager.
Wie Phönix aus der Asche
»Mein Bruder und ich waren hin- und hergerissen: Bereits 2019 dachten wir darüber nach, die gesamten Produktionsanlagen zu erneuern. Einem Grundprinzip unserer Familie folgend, wollten wir überall da Technik einsetzen, wo die Handarbeit der Mitarbeitenden dem Produkt keinen Mehrwert bringt, wir sie aber von gleichförmigen, oft schweren Tätigkeiten entlasten können. Für uns auch eine Form von Wertschätzung. Und genau das passiert im automatischen Lager«, erzählt Geschäftsführer Lukas Pfitscher. »Andererseits war uns klar: Sowas braucht viel Kapital und der Return on Investment kann länger dauern.« Als nach der Zerstörung auch die Gebäude neu konzipiert und aufgebaut werden mussten, war das Investitionsrisiko zwar noch größer – aber auch die Chance, etwas wirklich Einzigartiges auf die Beine zu stellen. »Da haben wir gedacht, wir müssen das jetzt machen, und uns für den Sprung nach vorn entschieden.«

Das FSP-Shuttle-Lager für den Tagesbedarf der Kommissionierung von frischen und konfektionierten Produkten.
Unter Federführung von Michael Pfitscher und in Zusammenarbeit mit der Stöcklin Logistik AG entstand auf dem bisherigen Gelände eine komplett neue Produktions- und Lagerhalle, die genau auf die aktuellen und kommenden Anforderungen des Betriebs zugeschnittenen wurde: mit hochkompakter Lagerung für Langsamdreher, automatisierter Förderung durch unterschiedlich temperaturgeführte Zonen, einer kurzwegigen Anbindung von Produktionsarbeitsplätzen, einer schnellen Bereitstellung von Frischwaren für die Kommissionierung und einer intelligenten Bestands- und Warenflusssteuerung. Alles unter einem Dach.
Auf veränderliche Marktentwicklungen vorbereitet
»Indem wir Gebindestapel-Kanallager und Multi Shuttle Lager verbinden – und dabei auch noch Temperaturzonen handhaben – schaffen wir zugleich hohe Verdichtung und hohe Adaptivität«, beschreibt Lukas Pfitscher. »So können wir auf kleinstem Raum sehr flexibel arbeiten und unmittelbar auf den Markt und neue Marktbedingungen reagieren.« Das sei heute noch wichtiger als maximale Automation, mit der sich vielleicht ein paar Prozent mehr Prozesseffizienz herausholen ließen, die dann aber wieder zu einem Korsett werde. »Die neue Anlage verschafft uns deutlich mehr Kontrolle über das Produkt – hinsichtlich Qualität, Frische und Verfügbarkeit. Wir können beispielsweise Produktionsprozesse durch fein justierte Temperaturveränderungen verlangsamen oder beschleunigen, um mit der Nachfrage zu gehen. So haben wir deutlich mehr Planungssicherheit. Und das sind wesentliche Voraussetzungen für ein geordnetes, strukturiertes und sicheres Wachstum. Genau das wollten wir – egal, ob sich das in drei, in zehn oder in fünfzehn Jahren abbezahlt«, sind sich die Pfitschers einig.
»Wir nutzen das Lager für volle Kisten, genauso wie für leere Kisten, für halbfertige Produkte wie für Fertigprodukte. Gleichwohl haben wir in den vergangenen Jahren keine Ware im Lager verloren. Nicht mal in den ersten sechs Wochen nach Inbetriebnahme, mitten im Weihnachtsgeschäft 2021. Und das, obwohl dies das erste Lager dieser Art war und wir keine Zeit für Probe- und Testläufe hatten.«
Zusammenarbeit im Projekt als Highlight
Aus einer Notsituation kommend, gab es für den Neustart in Burgstall keinen doppelten Boden: Top oder Flop. »Es war überhaupt nicht egal, ob wir nun einen Monat früher oder später in Betrieb gehen würden. Es musste laufen.«, beschreibt Lukas Pfitscher und erinnert sich mit Respekt und Dankbarkeit an die Zeit, in der viele Hände für das gemeinsame Ziel an einem Strang gezogen haben. »Mein Highlight war diese ganze Zusammenarbeit. Das ganze Team war einfach gut.« Dabei galt es, alle Komponenten herstellerübergreifend zu einer technisch nahtlos interagierenden und kommunizierenden Gesamtanlage zu integrieren, die sich als Ganzes steuern lässt – und die es in dieser Art zuvor
noch nicht gab. Drei Wochen nach Fertigstellung startete der Echtbetrieb. Und obwohl nicht alles gleich perfekt lief, stand die Anlage in den ersten Wochen gerade mal einen halben Tag wirklich still. Lukas Pfitscher: »Ich kenne keinen Betrieb, der das so gemacht hat. Aber da waren der Wille und die Motivation zu sagen: Das kriegen wir hin. Und dann haben wir das zusammen durchgezogen.«
Stöcklin ist auf der Logimat in
Halle 3, Stand C30.
So bietet Pfitschers 2-in-1-Lösung zukunftsfähige Produktions- und Intralogistik
Auf Basis einer Analyse mit 3D-Simulationssoftware und Planungen der Stöcklin Logistik AG entschieden sich die Pfitschers für eine Lösung, die zwei verschiedene Lager-Typen unter einem Dach kombiniert und mit den verschiedenen Produktionsarbeitsplätzen sowie der Kommissionierung verbindet. Etwa drei Viertel des neu gebauten Lagers wurden als eingassiges Gebindestapel-Kanallager (GKL) angelegt, das auf 25 000 Behälterstellplätzen langsam drehende Lagerware hochdicht aufnimmt. Das GKL ist in drei Temperaturzonen unterteilt. Das ermöglicht, Produkte vollautomatisch in die passenden Temperaturbereiche zu verfahren, bevor sie, ideal temperiert, zur Verarbeitung – zum Schneiden, Portionieren und Verpacken – befördert werden. Hier arbeiten ein 7,2 Meter hohes »Boxer«-Regalbediengerät und ein »Storage Rover« von Stöcklin, die die bis zu 270 Kilogramm schweren Neuner-Gebindestapel vollautomatisch von und zur Förderanlage bewegen.
Angrenzend an das Kanallager entstand ein eingassiges FSP-Shuttle-Lager für den Tagesbedarf der Kommissionierung von frischen und konfektionierten Produkten. Auf zwölf Ebenen werden die aus den Produktionsstrecken chaotisch eintreffenden Behälter geordnet, auf bis zu 2736 Stellplätzen dreifachtief quer eingelagert und nach Prinzipien der Frischelogistik first-in-first-out an die Packstationen gefahren.
Hinter der effizient arbeitenden Gesamtanlage aus dem Hause Stöcklin steht eine maßentwickelte, intelligente Lagerverwaltungs- und Materialfluss-Steuerungssoftware, die mit dem Auftragseingang verbunden ist, um Frischeprodukte vorausschauend vorzuhalten und entlang ihrer Haltbarkeit first-in first- out in die Kommissionierung zu steuern. Sie ermöglicht es auch, Bediengeräte und Shuttle, die über Rückspeisungs- und Sleep-Funktion verfügen, je nach Auslastung energieoptimiert zu fahren. Die Anlage ging im November 2021 nach knapp einem Jahre Planungs- und Bauphase in Betrieb.