Meyer Logistik setzt für die Lebensmittel-Distribution beim Discounter Norma Bio-Kraftstoff ein. Verwendet wird der aus Abfallprodukten auf biologischer Basis gewonnene Kraftstoff in 25 neuen LNG-LKW. Gegenüber einem Diesel fallen so 80 Prozent weniger CO2-Emissionen an.
Stand über viele Jahrzehnte der Diesel für effiziente Energie zum Antrieb von LKW-Motoren, hat sich seit einiger Zeit im Straßengüterverkehr eine Alternative etabliert. Liquefied (LNG) und Compressed Natural Gas (CNG) haben als emissionsärmere Kraftstoffe eine feste Position in der Gunst der Anwender gefunden. Der CO2-Fußabdruck des Gasantriebs soll nun durch Biovarianten noch besser werden. Die Ludwig Meyer GmbH & Co. KG und der Lebensmitteldiscounter Norma testen das in einem besonderen Projekt.
Der Friedrichsdorfer Frischelogistiker – kurz Meyer Logistik – setzt für seinen Kunden Norma an dessen Standort Rheinböllen im Hunsrück 25 neue LNG-LKW ein. Diese wird der Spediteur ausschließlich mit Bio-LNG betreiben. »Erdgas aus Gülle gewonnen: Da haben wir, jedenfalls im übertragenen Sinne, die Kuh im Tank«, sagt Matthias Strehl, Geschäftsführer von Meyer Logistik lächelnd. Natürlich sind es neben Gülle viele Grundstoffe, aus denen Bio-LNG hergestellt wird. »Es sind im Grunde alle Abfallprodukte auf biologischer Basis verwendbar, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb anfallen«, betont Peter Assmann, Geschäftsführer der Raiffeisen Hunsrück Handelsgesellschaft. Sein Unternehmen stellt im Projekt mit Meyer Logistik die Infrastruktur in Form einer neuen Tankstelle in der Nähe des Warenlagers von Norma zur Verfügung. Ziel ist es, durch den Betrieb der Fahrzeuge mit biologischem Kraftstoff die Schadstoffemissionen deutlich zu minimieren. »Wir sprechen von 20 Prozent weniger CO2-Ausstoß, allein schon bei der Verwendung von klassischem LNG gegenüber einem Diesel«, erklärt Norbert Scholz, Geschäftsführer der Gascom Equipment GmbH, die die Tankstelle von Raiffeisen baut und mit Bio-LNG versorgen wird. Beim Bio-LNG seien es schon mehr als 80 Prozent weniger CO2-Emissionen.
Bio-Projekt braucht engagierte Partner
So haben Spediteur, Tankstellenbetreiber und Gaslieferant ein nachhaltiges Konzept entwickelt, das Grundlage für die Distributionsdienstleistung von Meyer Logistik für Norma ist. »Letztlich ist die Anschaffung der Fahrzeuge ein Baustein«, erklärt Strehl. Tankstelleninfrastruktur und ausreichende Gasmengen bringen den Betrieb aber erst ins Rollen. »Die umfassenden Gespräche mit den Akteuren vor Ort haben gezeigt, dass wir auch eine gemeinsame Idee verfolgen«, so der Logistikfachmann weiter. Es gehe letztlich um die Entwicklung einer nachhaltigeren Supply Chain. »Gerade auch für uns als Grundversorger der Gesellschaft mit Lebensmitteln sind die Aspekte der Nachhaltigkeit wichtige Faktoren. Die Umstellung der Lieferketten im LEH ist dabei ein wichtiger Baustein«, betont Rolf Dieter Kirchner, Niederlassungsleiter vom Norma Logistikzentrum Mittelrhein in Rheinböllen. »Wir sind stolz darauf, gemeinsam mit unserem Frischeexperten für die Straße Meyer Logistik, Gascom und Raiffeisen so ein Projekt auf die Beine zu stellen.« Das ist auch angezeigt. Denn die Bundesregierung hat im Klimaschutzgesetz eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um 65 Prozent bis 2030 avisiert. »Wenn wir das erreichen wollen, muss in Deutschland einiges passieren. Vor allem müssen wir mal anfangen«, ist Scholz überzeugt. Erdgas gilt hier bei den Anwendern als wichtiger Baustein. Die Absatzzahlen der Fahrzeughersteller zeigen das. Allerdings fördert die Bundesregierung ab nächsten Jahr LNG/CNG aus fossilen Quellen nicht mehr. Daher arbeiten die Treibstoffhersteller seit einiger Zeit an Biovarianten des Gastreibstoffs. »Bei der Verwendung von Bio-LNG erreichen wir eine positive CO2-Bilanz. Der Ausstoß liegt hier, je nachdem aus welchen Rohstoffen der Treibstoff biologisch gewonnen wird, bei bis zu -100 Gramm CO2-Äquivalent pro Megajoule niedriger. Ein Diesel emittiert hier rund 94 Gramm«, erklärt Scholz.
Wie geht das denn?
Doch nicht jede Form von Bio-LNG wird diese hohe Ersparnis erreichen. Mit Treibstoffen aus Getreideabfällen nähern sich die Anwender dem neutralen Punkt von Null-Emissionen. Anders sieht es eben bei tierischen Fäkalien aus. Gehen diese über Bio-Gasanlagen und Verflüssigung in die LNG-Produktion anstatt in der Landwirtschaft als Dünger ausgebracht zu werden, kann das laut europäischem Gesetzgeber positiv angerechnet werden. Die dann fehlende Nitratbelastung der Böden wirkt sich durch Energiegewinnung positiv auf die CO2-Bilanz des Bio-LNGs aus. Dreh- und Angelpunkt der ganzen Thematik ist somit das Thema Biomasse. »Wir müssen uns frühzeitig fragen, ob wir genug Biomasse in Europa haben, um den Markt zu befrieden«, erklärt Raiffeisen-Geschäftsführer Assmann die Ausgangsstellung. Gascom-Geschäftsführer Scholz betont daher, wie wichtig es für sein Unternehmen gewesen sei, frühzeitig Weichen zu stellen und Kooperationen mit Lieferanten einzugehen. Bei einem Flottenanteil von 2,5 Prozent an LNG-Fahrzeugen in Deutschland befürchtet der Energielieferant noch keine Engpässe. Zumal sich der Bio-Kraftstoff über die gleiche Infrastruktur verteilen lässt wie die fossile Version. Herausforderung wird allerdings sein, auch die Eigenproduktion an Gas hochzufahren. »Wenn sie durch Deutschland fahren, sehen sie viele Biogasanlagen. Aber nicht jede dieser Anlagen produziert Gas, sondern dient der Stromproduktion«, so Assmann. »Wir haben hier eine infrastrukturelle Aufgabe zu lösen, um die Gasanlagen flächendeckend an Erdgasleitungen anzuschließen und so den Transport vom Erzeuger zum Verflüssiger zu gewährleisten«, erklärt der Fachmann. Zudem müssten jetzt Anreize für die Landwirtschaft geschaffen werden, in die entsprechende Verarbeitung von Biomassen zu investieren, ist sich die Runde sicher. Das Interesse auf Seiten der Landwirtschaft sei da, betont der Energiefachmann von Raiffeisen. Je nach Größe und Leistung kosten die Anlagen zwischen anderthalb und mehreren Millionen Euro. Dieser Investition muss auch ein entsprechender Return on Investment entgegensteht. Etwa durch höhere Einspeisevergütungen.
Entscheidend ist der faire Preis an der Zapfsäule
Geht es nach Scholz sollen Kunden wie Meyer Logistik an der Zapfsäule preislich keinen Unterschied zwischen Bio-LNG und konventionellen LNG merken. Auch wenn die Herstellung von Bio-LNG teurer ist, hat der Gesetzgeber durch die Treibhausgasquote die Möglichkeit gegeben, die höheren Kosten von der Herstellung bis zur Zapfsäule zu kompensieren. Der Anwender bekommt zudem ein Zertifikat der CO2-Neutraliät, wenn er Bio-LNG tankt. Für Meyer Logistik Geschäftsführer Strehl ist klar: »Bis Ende 2023 gibt es für LNG – ob Bio oder fossil – die Mautbefreiung, die für viele Anwender die höheren Anschaffungskosten für LNG-Fahrzeuge auch lohnenswert gemacht hat. Danach werden die Karten neu gemischt. Wir hoffen, dann mit Bio-LNG und CO2-Neutralität gegenüber Diesel und auch fossilen LNG ein gutes Blatt auf der Hand zu haben.« Die Chancen stehen nicht schlecht. Immerhin haben sich Gas-LKW in den letzten Jahren zu Vertretern einer innovativen Brückentechnologie hin zu anderen Antriebstechnologien etabliert. »Die Hersteller haben aber mittelfristig noch nichts im Portfolio, was wir als Anwender für unseren Bedarf von morgen absehbar werden kaufen können«, so Strehl. »Natürlich sind wir als Partner der Hersteller immer interessiert, in Innovationen zu investieren und zu testen. Da ist aber sehr vieles noch in einem wissenschaftlichen Stadium, was zum Beispiel die Brennstoffzelle oder den Wasserstoff-Verbrenner angeht.« »Wir sind sicher: Die nächsten zehn Jahre wird es keinen Antrieb geben, der CO2 in diesem Maße reduziert, wie der Kraftstoff Bio-LNG und gleichermaßen flächendeckend im Straßengüterverkehr einsetzbar ist«, ergänzt Gascom-Chef Scholz. »Der Mix der Antriebsformen wird es sein«, erwartet Assmann. »Wir werden auch nach 2030 den LNG sehen, der Diesel wird weiter eine Alternative für die Langstrecke sein. Hohes Potential sehen wir zudem in den eFuels«, so Assmann weiter. Genug Zeit für die LNG-LKW zu fahren. In den nächsten Wochen möchte Raiffeisen mit der Tankstelle in Rheinböllen an das Netz gehen.◂
Die am Projekt beteiligten Unternehmen
Die Ludwig Meyer GmbH & Co. KG beliefert mit 1800 Mitarbeitern und 1200 Fahrzeugen an Standorten in Deutschland, Österreich, Tschechien, Rumänien und Schweden den europäischen Lebensmittel-Einzelhandel, Systemgastronomie und Großküchen.
Der Discounter Norma mit Hauptsitz in Nürnberg ist in Deutschland, Österreich, Frankreich und Tschechien mit bereits mehr als 1450 Filialen am Markt.
Die Gascom Equipment GmbH ist seit über 20 Jahren im Bereich der LNG-Versorgung tätig und versorgt neben LNG-Tankstellen auch mehrere Schiffe, Fähren und Industriekunden als verlässlicher Energieversorger.
Die Raiffeisen Hunsrück ist ein regionales Unternehmen und versorgt die Region Rhein-Hunsrück-Nahe im Bereich Agrar und Energie.