In 45 Minuten entlädt der autonome Stapler VNST20 Pro von Visionnav einen LKW-Trailer. Die Lösung feierte jetzt ihre Europapremiere auf der Logimat, soll allerdings erst 2025 hier auch auf den Markt kommen. Sie ist auch im Frischebereich einsetzbar.
Der US-Hersteller Visionnav Robotics hat auf der Logimat 2024 seine neueste automatische Lösung zum Be- und Entladen von Anhänger-LKWs vorgestellt. Zur Anwendung kommt dafür das fahrerlose Transportfahrzeug VNST20 Pro. Bei der Europapremiere der Lösung demonstrierte der Materialtransport-Robotik Spezialist, wie sie Sattelschlepper in nur 45 Minuten be- und entladen kann.
Das Automated Guided Vehicle (AGV) VNST20 Pro ist laut Visionnav ein leistungsstarker autonomer Gabelstapler, für die Trailer-Be- und Entladung wird er kombiniert mit dem Robotersteuerungssystem (RCS) des Herstellers für die Flottenplanung und 3D-Lidar-Slam-Positionierungstechnologie für die Genauigkeit. Diese biete eine erhöhte Raumnutzung, eine hohe Szenario-Anpassung, hohe Kompatibilität und zuverlässige Lösungsredundanz, um einen schnellen, sicheren und effizienten Frachtumschlag zu ermöglichen. Das RCS nutze modernste 3D-Wahrnehmungs-, Kartierungs-, Lokalisierungs- und Routing-Technologien, betont Visionnav. Das System steuere sämtliche AGVs des Herstellers und ordne unter mehreren VNST20 Pro in einem Betrieb eine Be- oder Entlade-Aufgabe dem passenden autonomen Stapler zu. Das RCS dient auch als Mittler zwischen Lagerverwaltungs- oder anderen höherrangigen Systemen und dem AGV, dieses kommuniziere nie direkt mit LVS und Co. Das System benötige eine stabile W-Lan-Funkanbindung, eine 5G-Lösung befinde sich derzeit in Entwicklung, berichtete William Carder, Country Manager für Großbritannien, auf einer Pressekonferenz im Rahmen der Logimat. Gewisse Anforderungen gebe es auch, was die Rampe zwischen LKW und Lager angeht, das sei jedoch meist wegen der hydraulischen Anhebemöglichkeit der LKW kein Problem. Etwas Flexibilität gebe es mit ± 3 Grad auch beim Einpark-Winkel am Verladetor, die meisten Fahrer sind nach Einschätzung des Praktikers aber sowieso in der Lage, hinreichend gerade an die Rampe heranzufahren.
Sämtliche Komponenten des Systems sind Eigenentwicklungen, betont das Unternehmen, bei der Sensorik kooperiere man mit dem deutschen Anbieter Sick. Wegen dieser Fertigungstiefe sei man auch in der Lage, auf Feedback von Kunden zu reagieren und spezifische Anpassungen vorzunehmen, hob Carder hervor.
Geeignet für Frische bis -5 °C
Der VNST20 Pro soll ab 2025 in Europa erhältlich sein. Er wurde speziell für den Bodentransport entwickelt und kann sich an unterschiedliche LKW, Güter und Umgebungen anpassen, indem er die selbstadaptive Wahrnehmung für unterschiedliche Umgebungen und dynamische Kartierung für dynamisches Routing im Container nutzt. Das System sei mit einer Vielzahl von LKW in Europa und Nordamerika kompatibel und kann laut Hersteller auf eine Vielzahl von Paletten zugeschnitten werden, darunter Epal und Chep. Beruhigend für Technik-Skeptiker: VNST20 Pro lässt sich nach Angaben von Visionnav auch einfach in den manuellen Modus schalten, um Betriebsverzögerungen zu vermeiden. Die Nenntragfähigkeit des VNST20 Pro beträgt 2000 Kilogramm bei einem Eigengewicht von 800 Kilogramm, den minimalen Wenderadius gibt der Hersteller mit 1431 Millimeter an.
Das für die Be- und Entlade-Lösung verwendete Bright Eye Kamerasystem sei eine ausgereifte, vielfach installierte Technologie von Visionnav, erklärte Carder. Derzeit wird für die Lösung noch eine stationäre Kamera, zum Beispiel an der Decke in der Nähe des Tores, verwendet, doch zur Erhöhung der Flexibilität stehe eine auf den AGV selbst installierte Kamera auf der Roadmap, gab er einen Ausblick, »das ist eigentlich gar keine allzu große Herausforderung«, so seine Einschätzung.
»Wir können einen sehr guten Return of Investment erreichen«, versprach Carder auf der Logimat, er liege unter zwei Jahren.
Auf die Frage nach der Verwendung des Systems in temperaturgeführten Lagern erklärte Carder: »Tiefkühl können wir nicht, aber Normalkühlung«. Es sei die Sensorik, die hier Grenzen setze, bis zu -5 °C sei das System einsetzbar. Für die Trailerentladung gebe es noch keine Kunden, die im Frischebereich arbeiten, wohl aber für den VNST20 Pro selbst. Bei häufigen Wechseln zwischen Kühl- und Normaltemperaturbereichen könne aber Kondensation zu einem Problem werden, gestand er zu.
Gründung von Roboterforschern aus Hongkong
Visionnav wurde 2016 von vier Robotikforschern aus Hongkong gegründet und hat seinen Sitz im US-Bundesstaat Georgia. Laut Carder hat Visionnav seit 2018 jedes Jahr eine innovative Materialfluss-Automationslösung präsentiert, fast alles weltweite Premieren: 2018 begann es mit einem autonomen Stapler, der eine Regalhöhe von 9,4 Meter bedienen konnte. 2019 folgte das Überwachungs-System Bright-Eye, das auch die Basis für die jetzt auf der Logimat vorgestellte Lösung darstellt. 2020 brachte das Unternehmen das nach eigenen Angaben weltweit erste AGV, das mehrere Lagen übereinander stapeln kann, auf den Markt, zum Beispiel für Reifen-Boxen in der Automobilindustrie. Und ab 2021 folgten dann jährlich neue autonome Lade- und Entlade-Lösungen für verschiedene Lastwagen-Typen. Bisher habe man über 3000 Fahrzeuge weltweit verkauft und über 450 Projekte umgesetzt, berichtete Carder und betonte die Wiederkaufs-Rate von 70 Prozent bei den Kunden. Das Unternehmen verfügt nicht nur über ein Demo-Zentrum in den USA, sondern auch in den Niederlanden. (ms)